Heft 
(1880) 38
Seite
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ltarl 5tieler in München.

See zwischen den Felsenwänden; im Hintergründe abgeschlossen durch eine gewaltige Bergesmauer, die noch von den Teufelshörnern. der Schönfeld­spitze und dem Grünseetauern überragt wird. Hier begreift man die Ent­stehungsgeschichte des Sees, der nur ein klaffender Riß im Gestein ist. das vor undenklichen Zeiten mit Donnerhall zerborst. Und da warf sich die grüne Urfluth brausend in die Kluft und schloß den Donnermund; die Wasser verliefen, sie aber blieb stehen in ihrem abgrundtiefen Versteck, sicher vor den Sonnenvfeilen, vergessen von den Jahrtausenden, die so manche Fluth zum Wiesengrün verwandelt. Und als nach abermals Jahrtausenden die Menschen kamen in diese wunderbare Wildniß, da gaben sie ihr den Königsnameu. und Königssee wird er geheißen bis zur Stunde!

Die Sonne war hoch über die Berge emporgestiegen und in ihrem leuchtenden Morgenschein hatte dies Wiuterbild fast eine verklärte Schönheit gewonnen, die Gipfel spiegelten sich im Eise, als war's die Fluth, die Zweige vom überhängenden Gesträuch glitzerten bereift, goldweich lag das Licht auf den Höhen. Alles Schreckhafte schien weggenommeu, nur das Große, das Majestätische war geblieben; und wenn man mit Grauen in die Tiefe sah, so sah man mit Entzücken nach den Höhen.

Es giebt kein User hier, denn kaum drei bis vier Stellen gestatten die Landung, kein Weg führt um den See. als in der Höhe ein Felssteig, den nur die Jäger wagen, dort sahen wir die Gemsen klettern, sicher und behende, sie sind fast schwarz in ihrem dichten Winterkleid.

So waren wir allmählich bis in die Mitte des Sees gekommen, bis an jene gewaltige Wand, die ihr donnerndes Echo siebenfach erbrausen läßt, wenn die Schiffer, die vorüberfahren, einen Schuß entladen. Wir ließen die Schlitten halten und standen im Halbkreis, mitten unter uns die drei Gesellen im grünen Hut, dann ward aus dem Frachtkorb, den wir mitgebracht, ein Trunk vom edelsten Rheinwein gehoben und das Krystallglas gefüllt. Tiefe Stille kam und mit lauter Stimme nahm einer das Wort und brachte den Gruß des Rheines, des deutschen Stromes, dem alten tiefen See: ihrer beider Fluth bespült ja heimische Erde. Einen Gruß den himmelhohen Gipfeln, zu denen wir lugen, einen zweiten der unergründlichen Tiefe, auf der wir standen und einen letzten den glücklichen Menschen, die solche Wunder schauen in weihnachtlicher Stunde!

Mit offenem Munde hörten uns die Fischer an und schallend klang der Hochruf wieder von den eisigen Wänden, da donnerte durch die ganze Breite hin ein dröhnender Riß, daß wir mitten im Jubel erbebten; der alte See er grollte, wie ein einsames verdüstertes Gemüth, dem man die Grüße welt­froher Herzen bringt.

Zerschellend brach das Glas, wir aber bestiegen die Schlitten, und mit Sturmeseile ging es jetzt hinüber nach Bortholomä. Zweimal kamen be­denkliche Stellen, wo das zerrissene Eis sich aufgestaut und gleichsam eine starre Welle gebildet hatte; es war ein wilder Rnck, als wir darüber jagten