Die pergame nischen Funde. - 239
erinnert, hier aber mit dem hohen Stilgefühl der griechischen Plastik sich organisch dem herrlichen Menschenkörper anschmiegt. Während die Haupt
gestalten also den Schlußmoment eines Zweikampfs darstellen, steigt schmerzvoll klagend die Halbfigur der Mutter der Giganten, Gäa, durch die beigeschriebene Bezeichnung über allen Zweifel erhaben, aus dem Boden empor, das Gesicht leider zerstört, der Kopf aber von einer Fluth köstlicher Ringellocken umspielt. Sie hält in der Hand ein Füllhorn mit Früchten; über ihr aber eilt die jugendliche Nike heran, der siegreichen Athena den Kranz zu bringen. Auch hier nimmt das Thier der Göttin am Kampfe Theil, denn wir sehen ihre Schlange sich um das Bein des Giganten ringeln.
Welcher Reichthum an Compositionsmotiven und Ausdrucksmitteln dem großen pergamenischen Künstler zu Gebote stand, erkennen wir wiederum an einer dritten Hauptgruppe, welche die Hekate zum Mittelpunkt hat. Diese ist schon deshalb von hohem Interesse, weil sie uns die sonst kaum aus griechischen Monumentalwerken vorkommende Gestalt der mehrköpsigen und sechsarmigen Göttin der Unterwelt vorführt. Ein neues Zeichen von dem Einfluß der phantastischen Göttergestalten des Orients auf die spätgriechische Kunst. Was sie in ihrer Jugendzeit in mühsamem Ringen abgestreift hatte, nimmt sie am Ende ihrer Selbständigkeit noch einmal wieder aus, freilich in dem siegreichen Bewußtsein, daß ihr überlegenes Schönheitsgefühl auch diese monströsen Bildungen zu bezwingen im Stande sei. Wir sehen die hohe, reich bekleidete, von mächtigem Faltenschlag umrauschte Gestalt der Göttin von der Rückseite, in der einen Hand eine Fackel über ihrem Haupte schwingend, mit der zweiten rechten Hand ein Schwert zückend, während der dritte rechte Arm in Flachrelief nur angedeutet ist. Ebenso erblicken wir neben ihrem in's Profil gestellten Kopf einen zweiten Kopf von besonders herben Formen Trotz aller Kunstvollendung muthet uns doch diese an indische vielarmige Götterfiguren erinnernde Gestalt sehr wunderlich an. Gleichwohl läßt sich nicht leugnen, daß das Düstre, Dämonische einer Hekate dadurch ergreifend uns vor Augen tritt.
Neben ihr eilt Ares, den wallenden Helmbusch auf dem stark beschädigten Haupte, zur Hilfe heran. Denn es gilt einen harten Kampf, der indeß sich seinem Ende zuneigt. Zur Rechten ist ein Gigant von mächtigen Formen zu Boden gestürzt; ergreifender Schmerzensausdruck durchwühlt die Züge seines breiten Kopfes, in dessen von struppigem Haar umborsteten Nacken der treue Begleiter Hekates, ein grimmiger molossischer Wolfshund, eben sein furchtbares Gebiß schlägt. Es ist die Todeswunde, denn schon verläßt die Kraft den Hingesunkenen, und in seiner meisterlich behandelten Hand erkennt man die Erschlaffung beginnender Agonie. Auf der linken Seite beißt ein anderer Wolfshund eben in den Leib eines zweiten Giganten, der sich ebenfalls nicht lange mehr widersetzen wird. Von der Wuth des Kampfes giebt aber nichts einen schlagenderen Beweis, als die beiden Giganten-Schlangen, welche sich emporringeln und mit grimmigen Bissen einerseits in den Schild-