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Wilhelm Lübke in Stuttgart.
rand der Göttin, andererseits heftig zerrend in ihr Gewand einhauen. Man kann nichts Frappanteres sehen, als die bösartige Wuth dieser Bestien. Und hier vor Allem wird es klar, welchen Vortheil der Künstler für mannichfaltige Belebung seiner Composition aus der fabelhaften Doppelnatur der Giganten schöpfte. Denn obwohl Einzelne, wie wir schon sahen, rein menschliche Gestalt zeigen, hat doch die Mehrzahl jene phantastische Bildung, welche die menschlich geformten Beine in Schlangenleiber auslaufen läßt, die aber ihrerseits wieder in Schlangenköpfen enden; daher sind denn auch die Schuppen, welche in sorgfältigster Ausführung die Schlangenleiber bedecken, in ihrer Richtung durch die Köpfe der Thiere, nicht durch die zu ihnen gehörenden Menschenleiber bedingt.
Noch eine Bemerkung ist hier am Platze. Von der ununterbrochenen fortschreitenden Bewegung des Frieses giebt rechts am Ende dieser Gruppe ein in die Platte hineinragendes Bein einer nach rechts ausschreitenden Göttin Zeugniß. Der Fuß ist mit dem reich und zierlich verschlungenen Riemenwerk eines Sandalenstiefelchens bekleidet, wie deren auf den übrigen Theilen des großen Werkes noch eine gute Anzahl in immer neuen Varianten mit besonderer Vorliebe ausgeführt sind. Wir erinnern uns nicht, dergleichen sonst an den Meisterwerken der Antike gesehen zu haben. Es scheint eine Specialität des Pergamenischen Meisters, der sein Werk so reich und glänzend wie möglich ausstatten wollte und in der Sorgfalt der Arbeit sich nicht genug thun konnte.
In einer anderen Gruppe sieht man eine Göttin in reich behandelten Gewändern dahinstürmen und nach rechts gewendet einen Giganten verfolgen, nach welchem sie mit aller Macht ein von einer Schlange umwundenes Gesäß schleudert. Das besonders reich behandelte Haar, das einzelne Löckchen an der Wange, die weichen Züge des ziemlich wohlerhaltenen Antlitzes, das von einem Schleier umwallt wird, die in der Hitze des Kampfes losgegangene, in einer Blume endende Perlenschnur, das spiralförmige Armband, endlich das prächtige Gewand, dessen Bewegung an die Niobide des Vaticans erinnert, alles dies scheint mir aus Aphrodite zu deuten. Das Gefäß in ihrer Hand ist freilich noch nicht erklärt; aber warum sollte die Göttin der Schönheit, welcher sonst keine Kriegswaffen zu Gebote stehen, nicht ein köstliches Gefäß ergreifen, um damit den Gegner zu Boden zu strecken? Ihr am ersten unter den Göttinnen wäre solch ein Nothbehelf in der Noth- wehr zuzutrauen. Neben ihr schreitet ein jugendlicher Gott über den Körper eines niedergestürzten Giganten dahin, dessen schmerzerfülltes Gesicht mit den derben Zügen und dem struppigen Haar an den sterbenden Gallier gemahnt.
Zu den besterhaltenen Gruppen gehört sodann die, welche auf seinem feurigen Viergespann den Helios darstellt. Sein lockiges Haupt ist von einer Stirnbinde umwunden; die schlanke Gestalt, von lang fließenden Falten ausdrucksvoll hervorgehoben, wendet sich, ins Profil gestellt, nach links, während ein Jüngling von freieren Formen dem Gespann vorausschreitet und