2^2 - Wilhelm Lübke in Stuttga rt. -
Noch ein anderes Zweigespann ist bruchstückenweise erhalten; dabei eine geflügelte Jünglingsgestalt mit lockigem Haar, das von einer Stirnbinde zusammengehalten wird; ein Gewand umhüllt die säst weiblichen Formen des Körpers, dessen Brust ein breites Band umzieht. In heftiger Bewegung holt der Jüngling, die Rechte hoch über den Kopf zurückwerfend, zu einem Hieb mit dem Schwerte gegen eine undeutliche, in ein Thierfell gehüllte Gigantengestalt aus. Es ist ein Motiv, das ähnlich am Fries von Phigaleia uns begegnet.
Auch das Fragment eines Pegasus hat sich erhalten. Im Zusammenhang damit dürfen wir die Platte mit der leider des Kopfes beraubten Figur des Apollo hervorheben, den man an den edlen jugendlichen Formen des nackten Körpers, eines der schönsten unter allen, und an dem über die Brust sich hinziehenden Köcherband erkennt. lieber den hoch ausgestreckten linken Arm fällt in breiten Massen der Mantel herab, durch die lebendige Melodie seines Faltenwurfs die weiche Schönheit des nackten Körpers noch mehr hervorhebend. Wie wirksam solcher Gegensatz sei, läßt sich schon an den Metopen des Parthenon erkennen. Weiter vermögen wir, allem Anscheine nach, Herakles nachzuweisen in einem kraftvollen bärtigen Heros, der mit der Keule zu einem Schlag ausholt. Daneben sieht man eine Göttin einen jugendlichen zu Boden gestürzten Giganten am Schopfe fassen, der sich mit der Hand von der Umklammerung zu befreien sucht: ein ähnlich schon bei der Athene angetroffenes Motiv. Ein anderer niit der Keule kämpfender Gott ist in den schon früher dein Museum zugekommenen Bruchstücken erhalten. Er schwingt seine Waffe über einen zu Boden gesunkenen Giganten, dessen bärtiger Kopf in Form und pathetischem Ausdruck ein Verwandter des Laokoon ist.
Daß in einer Gigantomachie auch der Meeresgott mit den Fabelwesen der Salzfluth eine Rolle spielen müsse, und daß ein griechischer Künstler dies dankbare Thema mit Vorliebe ausbeuten werde, ließ sich im Voraus denken. In der That finden wir Poseidon in einem Bruchstück, das zwar weiter Nichts bietet als die Gestalt des Gottes, aber dafür gehört diese zu den herrlichsten unter allem Vorhandenen, und ist außerdem durch vollständige Erhaltung des Kopfes ausgezeichnet. Und welch ein Kopf ist dies! im Wesentlichen die Formen und der Typus des Zeus, aber durch einen leidenschaftlichen Ausdruck, durch die wildfluthenden Massen der Haupt- und Barthaare zum Charakter des Gottes der stürmisch bewegten Meeressluth nmgewandelt. Während die unmittelbar dazu gehörenden Theile der Composition noch nicht gesunden sind, fehlt es jedoch nicht an Bruchstücken, welche offenbar der Umgebung Poseidons zuzuweisen sind. So zunächst eine große Platte mit dem Vordertheil eines See-Kentauren, dessen menschlicher Oberkörper durch Vermittlung von zackigen Fischflossen in einen Pferdeleib übergeht. An den Schultern bemerkt man den Ansatz eines Flügelpaares, das durch einen Kamm borstiger Fischflossen etwas Phantastisches erhält.