Heft 
(1880) 38
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2^ - Milhelm Lübke in Stuttgart. -

gehoben werden, daß weitaus die Mehrzahl dieser ausgedehnten Arbeiten von nahezu gleicher Vollendung und Durchführung sind. Das deutet auf eine Schule, welche durch langen Zusammenhalt unter einem tonangebenden Meister sich zu gleichmäßiger Höhe künstlerischer Gediegenheit herangebildet hatte.

Im Vorstehenden habe ich eine kurze Beschreibung der Theile des

Frieses zu geben versucht, die bis jetzt in mehr oder minder zusammen­hängenden Bruchstücken sich erkennen lassen. Dies Wenige dürfte schon hin­reichen, auf die Großartigkeit des Ganzen zu schließen. Wie viel auch

unwiederbringlich verloren sein mag, das Erhaltene genügt zur Erkenntniß, daß wir hier, mit alleiniger Ausnahme des Parthenon, das umfangreichste und erhabenste Monumentalwerk der griechischen Plastik vor Augen haben. Dem Künstler wurde eine Aufgabe gestellt, wie sie größer für einen Griechen nicht zu denken war. Noch einmal, ehe die Herrlichkeit der hellenischen Welt für immer zusammenbrach, durfte er die ganze Götterschaar darstellen; nicht in seliger Ruhe, wie Phidias in glücklicheren Tagen die Olympier auf der Ostseite des Parthenon hatte schildern dürfen, dem Festzuge eines edlen, freien Volkes zuschauend, sondern wie es sich für die späteren, von Kämpfen aller Art durchtobten Zeiten ziemte, im gewaltigen Streit gegen ein über- müthiges, erdentsprossenes Geschlecht. Die ganze Hoheit und Schönheit, die volle Kraft und Anmuth der Götter durfte der Künstler von Pergamon ent­falten, in gesteigertem Affect, in leidenschaftlicher Bewegung des Kampfes. Als Gegner aber boten sich ihm die phantastischen Gestalten der Sage, in welchen er alle Schattirungen vom einfach menschlich Athletischen bis in's Wundersame, Ungeheuerliche, ja Bestialisch-Wilde zur Erscheinung bringen durfte. Und mit welcher Fülle von Phantasie hat er dieser Aufgabe genügt! Wie hat er seine Giganten durch die Schlangenfüße, die wiederum selbst zu mitkämpfendeu Ungethümen werden, deren Drachenköpfe allen Grimm einer dämonischen Naturkraft aushauchen, in's ungeheuerlich Großartige gesteigert! Und wie hat er ferner Einzelne noch dazu durch Flügel, den Hauptgegner der Athene sogar durch ein doppeltes Paar, Andere wieder durch ein Hinein­ziehen von Elementen mariner Bildung, von Flossen und Schuppen der Un­geheuer der Tiefe, noch phantastischer gestaltet! Ueberblickt man diese Schaar, in welcher alle dämonischen Gewalten sich zu verkörpern scheinen, so muß man gestehen, daß es keine geringen Gegner sind, denen die Götter entgegen­zutreten haben. Und doch hat der Künstler auf feine Weise verstanden, uns keinen Augenblick darüber im Zweifel zu lassen, daß die siegreiche Macht auf Seiten der Himmlischen ist. Wir sehen nirgends einen Giganten Hand an einen Gott legen; nur die beiden Schlangenköpfe der Hekategruppe gehen in unbändigem Grimm über alle anderen hinaus; aber auch sie wagen sich nur daran, in den Schildrand der Göttin zu beißen und an ihrem Gewand zu zerren. So ist die unnahbare Ueberlegenheit der Götter gewahrt.

Neben diesen idealen und phantastischen Elementen wußte der Künstler aber auch die Thierwelt in mannigfaltigster Weise seiner Composition einzu-