Issue 
(1880) 38
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Die xergamenischen Funde.

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Verleiben. Löwen, Panther, Molosserhunde, Rosse von edler Bildung

wechseln mit Adlern, Schlangen und anderem Gethier, theils attributiv, theils in lebhafter Kampfbetheiligung, theils endlich, wie die Wagenpferde der Zwei- und Viergespanne im Dienste der Götter. So ergiebt sich ein Reichthum und eine Mannigfaltigkeit der Formenwelt, die ein unerschöpflich malerisches Leben in das große Ganze bringt. Schon ans dem Vorhandenen läßt sich erkennen, daß in dieser Hinsicht der pergamenische Fries alles Andere, das die Antike darbietet, übertrisst.

Dies malerische Element verbindet sich mit dem hochgesteigerten

dramatischen, ja pathetischen Charakter des Ganzen zu lebendiger Wechsel­wirkung. Es herrscht eine Kühnheit und Freiheit in den Bewegungen, die jedes leidenschaftliche Handeln meisterhaft zum Ausdruck bringt. Auf Seiten der Götter, soweit wir urtheilen können, sehen wir siegesgewiße Erhabenheit, die aber in einzelnen Fällen sich mit ungestümer Kampfeslust verbindet. Dabei ist eine lebendige Abstufung nach dem Charakter der verschiedenen Gottheiten dem Künstler gelungen. Die reichere Scala des Ausdrucks freilich findet sich naturgemäß bei den Giganten: Trotz und zornige Wuth, düsterer Grimm, unbändige Wildheit, die im dunklen Gefühl ihrer Ohnmacht gegen die höchsten Gewalten sich aufbäumt, aber auch die ganze Abstufung bitterer Empfindungen, von dem idealen Schmerzensausdruck iu den jugendlichen Köpfen bis zu dem Todeszucken und Erstarren in den älteren, ist hier zu vollendeter Darstellung gebracht. Wir erkennen einen Künstler, der die Seelenregungen in ähnlich vollkommener Weise beherrscht, wie die Meister des Laokoon, der Niobegruppe, des sterbenden Galliers.

Und dies Alles ist in einer Formensprache gegeben, die direct von dem großen Idealismus der attischen Schule abstammt, in der Größe und Breite der nackten Theile wie in der unerschöpflichen Feinheit und Mannigfaltigkeit der Gewandbehandlung gleich vollkommen dasteht. Dabei ist Alles, echter Marmorstil, von einem Schmelz und einer duftigen Weichheit der Behandlung, die durch den goldigen Ton der Oberflächen noch gesteigert wird; aber dies Weiche ist nicht auf Kosten einer strengen Formgebung erkauft, vielmehr herrscht jenes tiefe Verständniß des Körpers, das in der innern Architektonik des Organismus vollkommen zu Hause ist. Der Knochenbau und das Spiel der Muskeln kommen zu voller Geltung, werden aber durch jene Weichheit in der Behandlung der Oberfläche dem Auge vermittelt, welche der Vorzug der Marmortechnik ist. So haben wir eine Schule vor Augen, die durch lange Gewöhnung in der Marmorarbeit so völlig zu Hause war, wie es einst die attische Schule unter Phidias, Skopas, Praxiteles gewesen. Man erkennt dies namentlich an der reich abgestuften Charakteristik des Haares, das in kürzeren Locken oder längerem Geringel, in struppiger Wildheit oder breitem Fluß stets in großen Massen angelegt und mit wenigen eingreifenden Meißelhieben zu malerisch wirkenden Gruppen herausgearbeitet ist. Man findet denselben Stil aber auch in der meisterlich weichen Behandlung des Gefieders an den