Issue 
(1880) 38
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Die xergamenischen Funde.

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beruhe. Aber auch von plastischen Werken der Diadochenzeit war uns bis jetzt Weniges bekannt. Wohl wußten wir aus den Schriftquellen von der fabelhaften Pracht jener Augenblicksdecorationen, zu welchen alles, was an künstlerischen Kräften vorhanden war, ausgeboten wurde: von jenem Scheiter­haufen, welchen Alexander der Große seinem Liebling Hephästion errichtete, von dem Leichenwagen Alexanders, von dem Prunkschifs Hierons von Syrakus; aber wir vermochten uns von alledem kaum eine Vorstellung zu machen. Wie wird dies Alles auf's Glänzendste erläutert durch dieses im großartigsten Maßstabe angelegte und mit der bewundernswürdigsten Kunstvollendnng durchgeführte Werk, das in der That würdig war gleich dem Mausoleion zu Halikarnaß unter die Weltwunder gerechnet zu werden!

Bis jetzt glaubten wir in den Handbüchern die Kunst der hellenistischen Spätzeit damit genügend charakterisirt, wenn wir eine rhodische und eine pergamenische Schule aufstellten, die erstere durch Werke wie den Laokoon und den farnesischen Stier, die andere durch die Galliersiguren charakterisirten. Welch ungeahnte neue Perspektiven thun sich jetzt vor uns auf! Wir gewinnen den geradezu überwältigenden Eindruck einer Kunstschule dieser Spätzeit, die in großartigen hochidealen Conceptionen, wie in wunderwürdiger Ausführung den höchsten Schöpfungen des fünften und vierten Jahrhunderts ebenbürtig dasteht; einer Schule, welche stilvolle Formgebung mit feineren Naturstudien, malerische Behandlung mit leidenschaftlicher Dramatik, mit schwungvoller selbst das Phantastische nicht verschmähender Auffassung verbindet. Die pergamenischen Werke werden fortan den festen Punkt bilden, von welchem " über manche stil- und geistesverwandte Einzelwerke antiker Plastik ein neues Licht sich verbreiten wird. Das Schlußcapitel der griechischen Kunst wird völlig umgestaltet werden und eine ganz andere Physiognomie gewinnen. Unser Staunen über eine Kunst, die selbst in der Zeit der Auslösung und des Untergangs griechischer Selbständigkeit noch solche Wunderwerke zu schaffen vermochte, wird noch um ein Bedeutendes wachsen.

Und nun dürfen wir denn auch der Befriedigung Ausdruck geben, daß Deutschlands Hauptstadt mit einem Schlage in den Besitz eines der größten Meisterwerke antiker Plastik gekommen ist und darin selbst hinter London nicht mehr zurückzustehen hat. Deutschlands Gelehrte haben in erster Linie seit mehreren Generationen, man darf sagen seit Winckelmann, am Ausbau der Wissenschaft von der Kunst und der Cultur des klassischen Alterthums mitgearbeitet. Als die politischen Zustände unseres Vaterlandes noch um­nachtet waren, ließ doch Friedrich Wilhelm IV. sich nicht abhalten, auf dem tarpejischen Felsen jenes römische Institut zu gründen, welchem kürzlich durch den Uebergang an das deutsche Reich eine neue Aera des Wirkens sich auf- gethan hat. Die jetzigen großen Errungenschaften in Pergamon wären aber nicht möglich gewesen ohne die gesteigerte politische Machtstellung, welche Deutschland unter dem glorreichen Scepter Kaiser Wilhelms gewonnen hat. Und seit vollends unter dem Protectorate des deutschen Kronprinzen die