Issue 
(1880) 38
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232 - Wilhelm Lübke in Stuttgart. -

Verwaltung der Berliner Museen von den bureaukratischen Fesseln befreit worden ist, welche ihre Entwickelung lange Zeit gehemmt haben, ist es eine wahre Freude, bei wiederholten Besuchen in der Reichshauptstadt in allen Theilen der kostbaren Sammlungen gedeihliches Fortschreiten, glückliches Ver­mehren, wissenschaftliches Verwerthen unter der Leitung von durchweg aus­gezeichneten Fachmännern zu gewahren. Nicht minder hocherfreulich ist es, zu beachten, wie eifrig diese Sammlungen benutzt werden, und mit welch zuvor­kommender Liberalität Jeder dort in Studium und Genuß gefördert wird.

Nur eine der wichtigsten Fragen, von allen die schwierigste, harrt immer noch einer definitiven Lösung: die Raumfrage. Durch die Pergamenischen Er­werbungen wird dieselbe aber so brennend, daß eine endgültige Beantwortung nicht länger hinausgeschoben werden kann. Soll man die Pergamenischen Funde in einem eigenen Gebäude unterbringen, oder soll man sie mit den bereits vorhandenen antiken Originalen verbinden? Ich glaube, man darf die Antwort nur in letzterem Sinne geben, wenn man nicht die werthvolle Zusammengehörigkeit des Gleichartigen zerreißen will. Entschließe man sich doch endlich, dem ewigen Experimentiren mit den Räumen der Gemäldegalerie ein Ziel zu setzen, und das ganze Alte Museum sammt dem Neuen aus­schließlich der Antike zu widmen. Für die Pergamenischen Sculpturen würde sich vielleicht der den Ostflügel einnehmende Saal am besten eignen; die Hauptgruppen des großen Frieses würden dort auf's Schönste zur Geltung kommen. Für die Gemälde und die werthvolle Sammlung der Renaissance­werke muß man sich entschließen, endlich einen Neubau zu errichten, bei welchem dann die Rücksicht auf das Vorhandene und die Anwendung der durch neuere Studien gewonnenen Grundsätze über die Aufstellung und Be­leuchtung zur vollen Geltung kommen könnten. Man fände dann im Museum, wenn man die dort nun einmal nicht mehr befriedigend unterzubringende Gemäldegalerie in ein passenderes Local übergeführt hätte, genügenden Raum, um auch den Abgüssen von Olympia in Verbindung mit den übrigen Ab­güssen zu einer zusammenhängenden Aufstellung zu verhelfen. Regierung und Volksvertretung, welche in neueren Zeiten mit anerkennenswerther Liberalität in Preußen die Interessen der Kunst gepflegt haben, werden gewiß das Ihrige beitragen, um die Lebensfrage der Museen, die Raumfrage, in der bezeichnten Weise, der Würde und Bedeutung des Gegenstandes entsprechend, zu lösen.