Die Kinder des Ostens.
Eine Erzählung von
Rudolph Fürsten zu Liechtenstein.
ie Familie der Gräfin Irene von Okany stammte aus Makedonien. Ihre Voreltern hatten das Heimathland vermutlich zur Zeit der Türkenkriege des siebzehnten Jahrhunderts verlassen und sich wie so viele Andere ihres Ursprunges in den Tiefebenen des linken Donau-Ufers angesiedelt. Den Spuren der Einwanderer folgten die Heerden von unzählbaren Haus- und Nutzthieren, womit Jene Handel trieben. Es galt, rasch ein Absatzgebiet zu erobern, und in kurzer Zeit reich zu werden. Glückte dies, wie es auch häufig und in überraschender Weise zntraf, so verbanden sich solche Familien nicht selten durch Heirathen mit den in jenen Ländern schon ansässigen Geschlechtern, theils magyarischer, theils slavischer Race. — Selten überschritten die Ehen fortan den Ring der weiteren Verwandtschaft. Erbe trat zu Erbe, und so häufte sich nach einigen Generationen oft ein nennenswerter Besitz an Ländereien und sonstigen Glücksgütern an. Edelleute waren Alle, die da besaßen und befahlen; aber es kam auch vor, daß Manche jener Einwanderer in den hohen Adelsstand erhoben wurden und daß sie sodann das Ansehen und die Vorrechte der Vornehmsten des Landes genossen.
Es ist nicht lange her, daß die Boten der Cultur langsam nur in jene Länder drangen, deren ursprüngliche Sitten sich bis auf den heutigen Tag vielfach erhalten haben. Die geistigen Blüthen des in feinerem Sinne genußsüchtigen Westens gingen in der Fülle des physischen Wohllebens, dem die Bewohner jener Stätten ergeben sind, gewöhnlich unbeachtet unter; blieb aber hie und da ein Dust oder Farbenreiz von ferner Herkunft haften, so erschien er bei einem zufälligen Anlasse höchstens im Gewände naiver Neu-