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Rudolph, Fürst zu Liechtenstein.
gierde oder bäuerischer Prahlsucht an der Oberfläche wieder; denn nicht ein sinniges Denkvermögen, sondern die launige Einbildungskraft irgend eines Müßigen war meistens nur von dem Fremdartigen berührt worden.
Die Männer lebten der Bewirthschaftung ihrer Güter und ergötzten sich an Spiel und Weingelagen in den häufigen Stunden der Muße.
Die Frauen wurden im Sinne der Unterwürfigkeit und Unselbständigkeit erzogen, und kaum mochten die Eltern die jungfräuliche Reife der Töchter erwarten, um diese einem Manne zu vermählen, der zu den Interessen der Sippe paßte. Dennoch sind die Frauen naturgemäß empfindsamer und unter jenem Himmelsstriche auch bildungsbedürftiger als die Männer. Bei ihnen verweilen Eindrücke länger, und obwohl daselbst den Vornehmsten frühzeitig schon die Sorge des Hauswesens obliegt, so bleibt ihnen dennoch Zeit und Hang, nach den Lichtstreifen zu blicken, womit die im Westen untergehende Sonne zuweilen ihr Auge verlockend anzieht, und mit geheimen Wünschen nach den Räthseln zu spähen, welche die Welt erfüllen, die hinter den Horizonten ihrer unabsehbaren Ebenen liegt. Die Natur wird nicht müde, diese Menschen immer wieder phantasievoll zu erschaffen, und Allen gemeinsam ist eine leidenschaftliche Vorliebe für Musik.
Irene war, sechzehn Jahre alt, an einen ihrer Oheime verheirathet worden. Er hieß der „stolze Graf" Okany. Diese Bezeichnung mochte er wohl seinem wuchtigen Körperbau und seinem ansehnlichen Reichthume zu danken haben. Er war sich dessen bewußt, daß kein Landeskind ihm jenen Beinamen vorenthielt. Dem fünfzigjährigen Manne behagte der Gedanke, ein Kind als Gattin heimzusühren; auch benöthigte er einer Wirthin seines oft mit Gästen gefüllten Hauses und eines Erben seines Stammes. Stolz und geehrt mußte wohl jedes Mädchen sein, das seinen Namen führen durfte; um so mehr erwartete er volle Ergebenheit von seiner kleinen Nichte Irene.
Er war von seinem Vater, als diesem der Grafentitel verliehen worden war, mit zur Aufwartung an das königliche Hoflager genommen worden. So oft Okany von dieser Reise nach der Residenz erzählte, glänzte sein Auge im Genüsse der stolzen Erinnerung.
Mit mächtigen Fuchspelzen angethan, hatten Vater und Sohn dem königlichen Herrn die Ehrfurcht bezeugt, und das Auge der Majestät hatte mit nicht geringem Wohlgefallen auf den beiden Okanys geruht, als diese von unterthänigster Erregung und der Sommerhitze keuchend und schweißtriefend den Audienzsaal betreten hatten.
In dem Grafen wohnte ein leidlich guter, ja zuweilen ein kindlich weiches Gemüth; obgleich der Vorgang, den man seine Erziehung nennen konnte, nur das eine Bewußtsein in ihm nährte, daß er dereinst der reiche Graf ()kany sein werde. Die Ueberraschung, daß man ihn auch den stolzen nennen würde, ward ihm bis zum Antritte seiner vollen Würde aufgespart.