Heft 
(1880) 38
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- Die Rinder des Ostens. -

Der dürftigen Gelegenheit, sich in jenen Ländern geistige Bildung anzueignen, wurde jedoch sorgfältig ausgewichen.

In der ersten Zeit seiner Ehe spielte er mit Irenen wie mit einem Kinde, selbst in Gesellschaft nahm er sie oft ans seinen Schoß, löste ihr die langen, braunen Flechten und wies mit befriedigtem Lächeln auf sein schönes Eigenthum; oder er bemerkte mit urwüchsigem Scherze, wie sehr er sich des Tages freue, an dem er für gut befinden würde, die zarte Puppe ernsthaft zu seiner Frau zu machen; er liebte es, wenn Irene in wildem Tanze dahin flog. Okany hatte keinen Nebenbuhler zu fürchten. Die äußere Würde, die er sich Anderen gegenüber zu geben trachtete, erhöhte den Eindruck seines wirklichen Alters; ein frühzeitig kahl gewordener Scheitel kam seinem Bemühen zu Hülfe.

Uebrigens war er ein schöner Mann, und Irene, in dem Glauben

belehrt, von allen Mädchen und Frauen beneidet zu sein, hielt sich für glücklich.

Den Völkern des Ostens sind gar seltsame Naturanlagen zu eigen. So vieler Stämme Blut auf ihren Schlachtfeldern floß, so vielfach vermengt

rollt es in ihren Adern. Sie tragen die Keime edler Pflanzen in sich; aber manchmal nur gedeihen diese bis zur Blüthe; selten bis zur Frucht. Fast

scheint es, als drängten sich die zarten Schößlinge zu üppig an einander,

als daß der einzelne Trieb die Bedingungen zur weiteren Entfaltung seines Daseins fände.

Ungewöhnlich und vielseitig ist die Empfänglichkeit Aller für äußere Einflüsse. In Wenigen nur waltet schöpferische Kraft.

Wenn es möglich wäre, sie frühzeitig auf fremden Boden zu verpflanzen, und die reichen Gaben ihrer heiMathlichen Erde unter der sorgsamen Pflege einer dünkelfreien Cultur-Stätte erst zu sondern, dann zu entwickeln und zu veredeln, so würde vielleicht aus dem Kinde des Ostens ein Menschenbild erstehen, wie es herrlicher nicht gedacht werden könnte. Ein solcher war in der That Daniel, des Grafen Okany Schwestersohn.

Sein Vater fühlte des Todes Nahen, da er seiner Frau die Pflege des Knaben mit besonderen Bestimmungen auf die Seele band.

Schicke ihn fort von hier, wenn ich todt bin" war seine beständig wiederkehrende Redeund spare nichts an seiner Erziehung; zum Schlüsse die landwirtschaftliche Hochschule in Deutschland nicht vergessen! Er soll der Sippschaft hier zeigen können, daß man sich nicht auf seinen Herrgott allein verlassen darf. Ehe er aber sein Erbe antritt, laß' ihn reisen. Nach England, Frankreich und Italien soll er; merk' Dir's nach Italien! Ta soll's am schönsten sein, und ein heiteres nüchternes Volk soll dort wohnen, das sich nur am Anblick seiner Kunstwerke berauscht".

Woher kamen dem Manne diese Anschauungen? Woher die beinahe kindische Energie, mit welcher er seine Wünsche immer wieder vorbrachte?

Er hatte zwei Leidenschaften. Das Lesen und das Trinken. Dem