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Rudolph, Fürst zu Liechtenstein.
ersteren verdankte Daniel jene ungestüme Sorgfalt für fein geistiges Leben. — An der Trunksucht starb der Vater. Noch war eine Tochter aus dessen Ehe vorhanden.
Daniel hatte mit dem vierundzwanzigsten Jahre von seinem Erbe besitzgenommen. Mit dem Frühlinge kam er meistens in seine Heimath zu Mutter und Schwester. Dort verblieb er gewöhnlich bis zu Winters Anfang und waltete seiner Güter. Er brachte mit jedem Male etwas Neues mit, das der Hebung und Verbesserung der Wirtschaft dienen konnte. Da er die schöne Originalität seines Ursprunges bewahrt hatte, so war er, trotz der hohen Bildung und der vielseitigen Kenntnisse seines Geistes, den Landsleuten daheim nicht ganz entfremdet. Wohl staunten sie über Manches, das er anders machte; aber selten nur versuchte Einer oder der Andere, ihm in irgend etwas nachzuahmen.
Eine besondere Liebe und Sorgfalt wendete er seiner jüngeren Schwester Agnes zu. Er lehrte sie an den feineren Genüssen des Lebens Wohlgefallen finden und freute sich ihres still empfänglichen Gemüthes; aber auch seine edlen Umgangsformen hatte sie ihm bald abgelauscht; unmerklich gingen sie über in ihr einfach sinniges Wesen. Sein Oheim, der Gras Okany, hatte sich dem Sohne der Schwester immer freundlich und gut erwiesen; und die junge Tante Irene blickte mit Bewunderung zu dem Neffen auf. wenn dieser heimkehrte und gerne mittheilte, was er in der Fremde Neues gesehen, erlebt und gelernt hatte.
Sie horchte auf seine Reden wie ein Kind, dem man Märchen aus dem Wunderlande erzählt; und er wurde bald gewahr, daß es ihm schwerer fiel, ihren Wissensdrang zu leiten und zu zähmen, als sie mit der Menge ungewohnten Stoffes zu ermüden.
Halb im Scherze, halb im Ernste nannte sie ihn ihren Propheten.
Während der Jahre, die sie die glücklichen hieß, war das Alles ein Ergötzen und eine Freude. — Daniel hatte für die Zeit des Sommers Maler und Musikanten zu sich geladen; aber mehr, als das eigene Interesse an Kunst und Künstlern, freute ihn, Agnes und Irene an deren Umgänge Theil nehmen zu lassen.
Er war vollends zum Missionär der Cultur geworden. Indessen sich Agnesens ruhiger Sinn an den geistigen und künstlerischen Eindrücken erquickte und nur nach deren richtigem Verständnisse trachtete, erfaßte Irenen eine leidenschaftliche, ja fieberhafte Thätigkeit auf den ihr erschlossenen Gebieten. Sie bekundete ein staunenswertstes Geschick, wiederzugeben, was ihrem Sinne einmal aufgegangen war. Alles jedoch in der ihr eigenthümlichen Art und Weise. Technische Schwierigkeiten zu überwinden war ihr ein Leichtes; das bewährte sie an der Musik eben so, wie ^an der Malerei. Mit wenigen Pinselstrichen entwarf sie eine Skizze, die ein interessantes, ungewöhnliches Bild verhieß. Am Claviere präludirend, wußte sie eine Stimmung zu erzeugen, die gleichsam ein musikalisches Ereigniß vorbereitete. — Sollte sie