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Rudolph, Fürst zu Liechtenstein.
Liebe und Leid, Lust und Verzweiflung kreuzen die Hände und stürzen, in unauflöslicher Umarmung umschlungen zum phantastischen Reigen. — Ergriffen vom Wahnwitz des Fluchs, Alles vergessend und sich selbst, dreht sich der berauschte Chor, bald im Ringe des sinnbetäubenden Jubels!
Leidenschaften versiegen, Qualen Zerschmelzen in den siedenden Wogen des Tanzes; über den Todten tobt unbezähmbare Lust. Von dem Geschwirr der Stimmen erschüttert, drängt sich die Luft an die Fackeln heran, die, vom erschreckten Hauche berührt, neu zu lodern beginnen, derweilen im unerschöpflichen Sprudel der Rhythmen der Tanz sich immer wieder verjüngt!
Nur die Hoffnung bleibt fern dem tollen Gewühle! — In solange die Verzweiflung tanzt, rastet ihr göttliches Lächeln! —-
Mit genialer Virtuosität verstand Irene, die Klänge des Clavieres mit den kühnsten Gängen der Geigen zu verweben, und die künstlerisch kaum darstellbaren Rhythmen dieser wie aus augenblicklicher Eingebung entstehenden Musik zu errathen und wiederzugeben.
Ter Gras hatte die größte Freude daran, denn er meinte, — Schöneres gäbe es doch nicht als den Czardäs, als die Zigeunermusik.
Wenn Irene, erschöpft von der Anstrengung des Vortrages, dennoch wieder an das Clavier trat, um sich dem beglückenden Rausche der Musik von Neuem hinzugeben, da neckte Daniel seine schöne junge Tante wegen des Nimmersatten Behagens, das sie an einer Aufregung fand, die sich mit der Ermüdung zu steigern schien.
„Oh Du ungerechter Prophet", sagte ffie alsdann scherzend zu ihm, „bin ich Dir nicht ernst genug, und meintest Du nicht selbst, es sei die Fröhlichkeit des Lebens beste Gabe?" —
„Gewiß, Irene, mein Scherz ist ja nur der Ausdruck meiner Freude, Denkst Du, ich hätte über den ernsten Dingen, die mich beschäftigen, den Zauber unserer eigenartigen Genüsse vergessen? Mit den Zechern, freilich, werde ich es niemals halten". — Bei diesen Worten trat ein schmerzlicher Ausdruck in seinen schönen wohlwollenden Blick, als trübte ein schwarzer Schatten der Erinnerung seine Seele.
Mit dem anbrechenden Winter nahte die Stunde, da Daniel Abschied nehmen sollte. Das Scheiden fiel ihnen Allen diesmal schwerer als sonst. Die Ahnung eines traurigen Wiedersehens schwebte über ihnen. Agnes, Irene und Daniels Mutter suchten nach Beweggründen, dessen Abreise zu verzögern, er selbst ließ sich einen Tag um den andern abschwatzen. Es hatte ihn einen schweren Kampf gekostet, bis er entschlossen war, sich durch nichts mehr zurückhalten zu lassen. Schwüle lag auf der Gegenwart. —
Was mochte die Zukunft bringen!?
Zu seiner Schwester aber sagte er: „Du solltest mich am wenigsten bereden hier zu bleiben, da Du doch weißt, was mich gerade diesmal bestimmen muß, Euch zu verlassen. Ehrlich will ich bleiben; aber kann ich dafür einstehen, daß ein unbewachter Blick, ein Wort mich nicht einmal ver-