Die Rinder des Ostens.
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rathen. Und dann wäre diese schöne Freude unseres Beisammenseins dahin für immer! — Der Künstler sendet sein Werk hinaus in die Welt in dem Augenblicke, da er seine ganze Liebe daran hing und er es der Vollendung nahe glaubte; es verläßtihn und wird Anderer Eigenthum. So komme auch ich mir in der letztenZeit wie ein Künstler vor, der den schönen Stoff, dendieNaturihmbot, erkannte, ergriff und ihn absichtslos modelte und formte, bis er sein höchstes Wohlgefallen daran fand. Nun muß der Künstler scheiden, wenn er nicht zum Räuber werden will; denn schauen darf sein Auge, was es fassen und erreichen kann, nicht nach Allem begehren; und nur die Liebe zur Arbeit ist des Mannes ausschließliches und unbestrittenes Eigenthum; sie feine einzig wahre Religion. Nicht glühend, wie die Brunst zum Weibe in des Jünglings Seele lodert, sondern stetig und ernst, von Kindheit an gelehrt, geübt, gepflegt, verleiht nur sie den vollen Manneswerth. Nicht für den Zweck allein, der sichtbar ist, um ihrer selbst willen will die Arbeit geworben sein. Doch wer sich einmal ihre Gunst errang, dem bleibt sie treu und flieht nicht wie der Rausch der Leidenschaft. Sie überdauert -Alles, was uns Glück verhieß und oft nur Unheil brachte; an ihr erhebt sich der Gebeugte wieder, sofern der Trieb zum Leben in ihm wohnt; den Dürftigen zwingt sie in des Erwerbes Bahn; dem Sorglosen bringt sie der Sorge Wohlthat; entbehrlich macht sie des Wohlergehens müßige Verheißung und der Erwartung kargen Trost im Dulden; und Jedem, glaube mir, ist sie das Rettungsseil an der Vernichtung schmaler Grenze, an dem er, wenn auch mühsam, doch geheiligt, den steilen Pfad wieder hinaufklimmt zu der Menschenwürde uneitt- behrlichem Gefühle".
„Wohl hast Du Recht, Bruder, aber, nicht wahr, Du kehrst uns wieder?"
„Vielleicht, Agnes; der Winter ist lang, und ein Mann, der will, vermag gar viel . . . Wir sehen uns wieder — ja gewiß, liebe Schwester, ich fühle es — aber, ohne Reue muß es sein.
Als Daniel Abschied nahm, war Irene zwar recht betrübt, doch konnte sie beim letzten Gruße dem Scherze nicht widerstehen zu fragen: „Prophet, daß Du mir zum Frühling nicht etwa mit einer Braut, oder gar einer Frau wiederkehrst; — denn meine Erziehung ist noch lange nicht zu Ende".
Drei Jahre ihrer Ehe waren dahingegangen, und Irene hatte ihrem Gatten noch keinen Erben geschenkt. — Da wurde der Graf mit einem Male finster und nachdenklich. Die Fortpflanzung seines Namens war für ihn eine Frage des leidenschaftlichsten Ehrgeizes. Sollten ihn seine ungeduldigsten Erwartungen täuschen? Sollte aus dem Kinde, das er geehelicht hatte, durchaus keine Mutter werden wollen?
Er senkte den unruhigen Blick immer tiefer und durstiger in den glühenden Widerschein feurigen Weines. Was konnten ihm die giftigen