Issue 
(1880) 38
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Rudolph, Fürst zu Liechtenstein.

Perlen enthüllen, die, aus feuchtem Grunde steigend, an der Oberfläche zer­platzen, daß seine Blicke so gierig in deren Spiel starrten, wahrend die schlaffen, stumpfen Lippen den Rand des Bechers berührten?!

Sein Benehmen Irenen gegenüber wurde hart und abstoßend. In auffälliger Weise zog er sich von ihr zurück. Sie ertrug den jähen Wechsel ihres ohnedies bescheidenen Glückes anfangs mit sanfter, wenn auch mit kindlichem Staunen vermischter Ergebung. Bald aber sollten lange Tage, ja Wochen vergehen, bis der Graf von seinen entlegenen Gütern für einen oder zwei Tage höchstens zum Stammsitze zurückkehrte. Kam er dann plötz­lich, und wohl auch des Nachts, mit einer wüsten Gesellschaft, die eine Bande musicirender Zigeuner mit sich führte, nach Hause, so stürzte er ungestüm in Irenens Schlasgemach. Das Gelage mußte besorgt werden; die Hausfrau durfte dabei nicht fehlen. Wozu hatte er sie geheirathet?!

Zwei Tage lang währte manchmal das Zechen.

Von der betäubenden Musik bis zur Sinnlosigkeit gesteigert, trieben es die Gäste toller und toller.

Der Graf, meist trunken, übte das Hausrecht, zwischen ebenso unheim­licher Zärtlichkeit als Rohheit Irenen gegenüber abwechselnd.

Während der Stunden der Entnüchterung und Einsamkeit erstand in dieser allmählich die Erkenntniß ihrer ebenso traurigen wie unwürdigen Lage. Das Gefühl, welches in ihrem Herzen bisher den Platz der Liebe behauptet hatte, schwand bei dem Anblicke der Trunkenheit. Abscheu und Entsetzen traten an dessen Stelle. Sie weinte bitterlich bei dem Gedanken, das macht­lose Opfer der Pflicht bleiben zu müssen.

Wie viele ihres Geschlechtes in jenen Ländern waren nicht auch die Genossen ihrer Schmach! Aber das Schicksal wollte es anders wenden.

Wohl kehrte Daniel wieder, noch ehe der Frühling kam, aber unter den Seinen erwartete ihn eine zwiefache Trauer. Er erschien noch zu rechter Zeit unter ihnen, um seiner sterbenden Mutter die Augen zu schließen. Sie hatte das Testament des todten Trunkenbolds, der ihr Gatte gewesen war, treulich erfüllt bis an das Ende. Zum letzten Male leuchtete ihr Auge im Anblicke der lichten herrlichen Gestalt ihres Daniels. Auf das traurige Ver­hängnis; in Okanys Hause war er schon durch Agnes vorbereitet worden.

Er fand Irenen sehr verändert. Jetzt galt es eine schwere Pflicht zu erfüllen. Wie sehr er auch litt, wenn sie aus der Wüste ihres Herzens zu ihm flüchtete wie zu einem Labung verheißenden Quell, seine Treue fühlte kein Wanken. Er hielt sie Irenen so wie dem Grafen, indem er sich selbst treu blieb. Dämmerte der Schein eines Vorwurfes in ihm, so traf er den Künstler, der mit der edlen Form, die er seinem Werke gab, auch Schmerzensfähigkeit geweckt und dessen Empfindsamkeit gesteigert hatte. So ungerecht gegen sich selbst und sein bestes Streben konnte sich nur sein von: Schmerze augenblicklich getrübter Geist äußern, denn, in der That war er Irenens Retter. Wie sie ihm ehemals die Führung ihres Geistes anheim-