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Die Rinder des Ostens.
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Irenens
Natur überwand eine schwere Ohnmacht. Einige
unbedeutende Verletzungen ausgenommen, war von der schaurigen Nacht nichts übrig geblieben, als der Nachhall ihrer Schrecknisse.
Sie lag auf ihrem Betre mit geschlossenen Augen; mitten zwischen den Brauen senkte sich eine tiefe gedankenvolle Falte in die Stirne.
Als der Graf zur Besinnung gekommen war, fühlte er einen Schmerz, der ihm wie Feuer im Gehirn und Herzen wühlte. Der Gedanke, sein Unrecht nie wieder gut machen zu können, erfaßte ihn mit zerstörender Gewalt. Zum ersten Male in seinem Leben glaubte er einem Etwas gegenüber zu stehen, das stärker war als er. Er hatte in seinem Weibe sich selbst und seine Ehre mißhandelt. Sein Stolz war gebrochen. Er wagte am folgenden Tage nicht nach dem Befinden seiner Gattin sich zu erkundigen; an der Schwelle ihres Gemaches hielt sein eigener Fluch unerbittliche Wache und verschloß ihm das Heiligthum. Wie ein geprügeltes Thier, schlich er um das Schloß herum. — Alles beobachtend, was vorging — Nichts unterbrechend; nach Nichts fragend. — In eine Ecke verkrochen, sah er Daniel durch deu Hofraum schreiten; er hörte ihn nach Irene fragen — er wartete ab, bis Jener nach geraumer Frist die Treppe wieder herunterkam. Ohne sein Versteck zu verrathen, ließ er ihu wieder aus dem Schlosse gehen. Mit Rast und Ruhe war es vorbei in ihm. Der Abend kam; — er hieß die Pferde anspanncn. Unter dem Vorwände dringender Geschäfte wollte er nach einem seiner Güter fahren, die Nacht dort zubringen und erst am nächsten Abende wiedcrkehren. Vielleicht dann —!
Wie damals, als er nach LäzLrs Landhause ging, hörte Irene das Rollen des Wagens im Schloßhofe; ihr war, als entfernte sich diesmal .ein Gewitter. Es wurde ihr berichtet, daß der Graf das Haus verlassen habe.
Okany durchwachte eine qualvolle Nacht. Der Schmerz hatte ihn von seinem Herde weggetrieben; eine unbeschreibliche Angst trieb ihn dahin zurück. Er wartete nicht ab, bis es Abend wurde, um heimzufahren.
Sein Diener überreichte ihm ein Schreiben. Er erkannte Irenens Handschrift; es war der erste Brief, den sie an ihu richtete.
„Da Dein Weib, wie Du weißt, nicht lügt, so erfahre, daß mich Daniel in Sicherheit gebracht hat. Das Ziel meiner Reise wird Dir bekannt werden. Dort wirst Du mich finden, in meinen: Hause und unter Daniels Schutze.
„Ich gehöre Niemanden an, aber auch Dir nicht mehr.
„Die Sorge für ein Wesen, das leben will, macht mir diesen Schritt znr Pflicht. Wer weiß, ob Du nicht schon einen Mord begangen hast!? Ein gnädiges Schicksal bewahre Dich davor, daß dieser Vorwurf auf Deine Seele falle".
Das war des Briefes Inhalt.
Der wuchtige Graf brach in sich selbst zusammen. Vergebens versuchte der Diener, ihn auf das Bett zu bringen. Am andern Morgen saß er in derselben Stellung auf seinem Stuhle! — er war ein alter Mann geworden-