Issue 
(1880) 38
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Rudolph, Fürst zu Liecht enstein. -

Irene hatte ihren Wohnsitz in der Hauptstadt des Reiches aufgeschlagen. Daniel, der mit den Verhältnissen des Ortes vollkommen vertraut war, hals ihr das neue bescheidene Heim gründen. Zwei Monate später kam ein Mädchen zur Welt, das auf den Namen Daniela getauft wurde.

Irene ahnte nichts von dem Schmerze, den sie dem Manne, der sie liebte, mit diesem Zeichen der Freude und Dankbarkeit bereitete. Erst nachdem dieses Ereigniß glücklich überstanden war, ließ sie den Grasen von ihrem Aufenthalte in Kenntniß setzen und ihm sagen, daß sich sein Kind wohl befinde.

Sonst erfuhr Niemand von ihren dermaligen Verhältnissen.

Agnes freilich wußte um Alles.

Okany hatte sich seit Irenens Flucht von allem und jedem Verkehr abgesondert. Begegnete ihm zufällig einmal auf den: Wege zu den Gehöften einer seiner Verwandten, so wich er aus oder nahm, wenn es nicht mehr möglich war, Jeden: die Frage nach Irenen Vorwegs aus dem Munde. Möchte gerne wissen, nicht wahr, wie es mit Ihr steht? Es genügt wohl, daß ich es weiß. Versteht Ihr mich? und, daß sie mit meiner Zu­stimmung handelt, versteht sich von selbst; und um Weiteres habt Ihr Euch Wohl nicht zu kümmern?"

Wer hätte auch gewagt ihn zu fragen, so finster sah er drein; so ver­stört schien er Allen. Noch lastete der Eindruck des entsetzlichen Vorfalls wie ein Alp auf der ganzen Sippschaft. Läzar hatte er auch nicht wieder gesehen; auch kam er nicht in die Gegend, wo sich der Wald befand, den er erstanden hatte. Als er die Nachricht über Weib und Kind erhielt, befiel ihn ein Schluchzen, das nicht mehr zu stillen schien. Das einst so stolze Gebäude ächzte unter des Schmerzes unbarmherzigen Schlügen. Während einiger Tage zeigte er sich nicht einmal seinem Diener. Mühsam raffte er die Trümmer feines Muthes zusammen, um Irenen den Empfang ihrer Mittheilung zu bestätigen. In wenigen Worten schrieb er sein Nrtheil, und er hatte sich nicht geschont.> Doch lag in seinem Bekenntnisse ein Maß von Würde, das mit der demüthigen Erinnerung, die er zurückgelassen hatte, in seltsamem Widerspruche stand. Er billigte die Handlungsweise der Gräfin, deren Gerechtigkeit mit Ergebung anerkennend, und drückte Beruhigung darüber aus, daß ihr Daniel schützend zur Seite bleibe. Besorgt bat er, der Neffe möge ihn ja wissen lassen, in welcher Weise er für Irenens Bedürfnisse Vorsorge treffen könne. Er legte sich selbst die härteste Strafe auf, indem er vermied, ein zärtliches Wort an sein Weib zu richten. Nur der lieben kleinen Daniela sendete er einen Kuß von dem Vater und schloß mit den Worten:ich habe immer gewußt, daß Du mich nicht belügen kannst, und damit ist mir mein Schicksal klar. Gottes Wille geschehe".

Nach diesem Briefe war es zwischen beiden eine lange Zeit still geblieben. Der Graf hatte sich vorgenommen, während eines Jahres zu schweigen, und erst weiter zu überlegen, was zu thun sei, wenn dieses abgelaufen war.

Irene lebte in stiller Zurückgezogenheit mit dem Kinde und der Ent-