Wicklung aber jener Anlagen und Fähigkeiten, die unter Daniels Pflege einst so üppig und verheißungsvoll aufgeblüht waren. — Die lebendige Anschauung der Kunstwerke, wie sie die Stadt in reichem Maße bot, ergänzte den Inhalt ihres Lebens mit ebenso befruchtenden als wunderbaren Eindrücken. Mit der Ausbildung eines selbständigen und bewußten Urtheiles erweiterte sich der Kreis der Genüsse und vertiefte sich ihr Sinn in das, was er als das Edelste erkannte. Wenn auch zuweilen ein Gefühl des Mitleides nach dem fernen Heimathlande hinüberschweiste; — unvergeßlich blieb das Andenken an jene Nacht. Der Schreck hatte ihr ein unauslöschliches Flammenzeichen der Erinnerung aufgedrückt.
Daniel liebte und litt und freute sich, ein gutes Werk vollführt zu haben. Auch jetzt wich er keinen Schritt vom Wege, denn ein wahrer Künstler vermag sein Werk zu zertrümmern, aber nicht zu entstellen.
Der erste Geburtstag der kleinen Daniela war angebrochen und begrüßte mit Hellem Sonnenscheine die rosigen Wangen des in der Wiege schlummernden Kindes.
Daniel brachte seiner kleinen Muhme mit einem Rosensträußchen die ersten Huldigungen dar. Im holdesten Farbenreize stand ihm die blühende Mutter zur Seite.
Wohl selten trafen drei Blüthen so herrlich sich zusammen.
Wohlgefallen in das Auge zu streuen, waren keine schöner geschaffen als diese. Und doch war es kein glückliches Loos, an dem ihre Schönheit gedieh. Flüchtlinge waren sie nur, die das Entsetzen vereinte.
Wie schwer es auch Daniel wurde, die Harmonie des kleinen Festes zu stören, so mußte es dennoch sein. Ein Brief seiner Schwester brannte ihm auf der Seele. Des Schreibens dringlichen Inhalt Irenen zu verschweigen war unmöglich. Es handelte sich um einen ernsten, peinlichen Entschluß.
„Letzthin" — schrieb Agnes — „klopft es an meine Thüre; eine gebrochene Stimme ruft gleichzeitig: ,Jsüs erlaubt, Nichte Agnes?^ —und in das Zimmer tritt Ökany.
Du weißt, Daniel, seit wann ich ihn nicht gesehen habe.
Er ist unkenntlich. — Der flehende Ton, in dem er sprach, erschütterte mich bis in die tiefste Seele. Wie sieht er nur ausj
Aus dem stolzen Oheim ist die Gestalt eines Bettlers geworden. Eine Todeskrankheit wühlt in seinen eingefallenen abgezehrten Zügen. — Was er wollte? — Wie schreib ich es Dir? — Sehen will er die Seinen noch einmal, bevor er von dem Leben scheidet. — Da ist es heraus. Er spricht mit so unwiderleglicher Ueberzeugung von seinem nahen Ende, daß ich selbst daran glauben muß, zumal ich in sein geisterhaftes Auge schaue. Da er aber fühlt, wie sehr er jeden Anspruch aus Erhörung verwirkt hat, so scheint ihn die Furcht, cs könne, was er wünscht, gar nicht oder zu spät geschehen, mehr zu martern, als die Sehnsucht nach Irenen und dem Kinde. Sein Ton klingt so wehmüthig, seine Gebende ist so gebeugt, daß man kein