Heft 
(1880) 38
Seite
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Rudolph, Fürst zu Liechtenstein.

Ob diese der Worte vollen Sinn nicht faßte, ob sie nur halb gehört, was jene ries und suhlte, daß Nacht ihrem Geiste drohe, gleichviel. Im Anblicke der Verzweifelnden gewann sie ihre ganze Fassung wieder. Gebieterisch erhob sie ihre Stimme nach dem Diener. Sie wollte Alles hören, ruhig hören was sich begab, und bleich wie ein Mormorstatue und auch unerschütterlich wie diese, erwartet sie die Botschaft.

Daniel war auf Jsle de France gelandet. Ein sehnsuchtsvoller Zug führte ihn auf dieses Eiland, wo die Natur in üppiger Verschwendung sich selber überbot.

Auf jenen Stätten zog es ihn zu wandeln, wo Paul und Virginie das Leben übten, wie ein unschuldsvolles Kinderspiel, bis daß ein grausam schönes Schicksal sie ereilte.

Dort rauchten nicht mehr des Brandes Trümmerhaufen.

Die blutigen Spuren des Kampfes, ein schreckhaft Mahnungszeichen an des Mordes Handwerk, mit dem der Mensch sich Raum verschafft auf dieser Erde, um sein kümmerliches Dasein zu fristen, sie waren dort vertilgt; und unter Laubgehängen hoch wie Domgewölbe, beim Flötentone der Pirol's, ge­dachte Daniel eine traute Friedensstunde zu verträumen, wie sie ihm ans seinen Wanderungen selten vergönnt war.

An einem unvergleichlich schönen Morgen, es weckte der blaue, wolkenlose Aether das Meer mit sanfter Brise aus bleiernem Schlafe stand ein stattliches Fischerboot auf der Rhede von .... zur Fahrt nach dem Korallenriffe bereit, das etwa zwanzig Seemeilen südwestlich von der Insel entfernt, fein phantastisches Gebilde in stundeweitem Umfange bis über den Meeresspiegel erhob, sobald die Ebbe eintrat.

Daniel hatte, der Führung von drei erfahrenen Seeleuten vertrauend, das Boot bestiegen. Sie meinten, es könne, wie das Wetter günstig war, die Fahrt dahin binnen drei Stunden zurückgelegt werden, und stachen in die See.

Schon stand die Sonne auf dem Gipfel ihrer Bahn. Von ihren Strahlen vergoldet, wiegte sich die Majestät des Meeres im Nachmittags- fchlummer, und noch flatterte das Boot wie eine weiße Taube mit immer mehr erlahmendem Flügelschlage am fernen Horizonte. Denn bald regte sich kein Lüftchen mehr, ja keines Lüftchens Hauch. Die Möve steckte das

Köpfchen unter die Fluth, damit sie in der Schwüle nicht ersticke.

Unheimlich erhaben wird die Stille; tückisch der starre Glanz des Tages. Hat die Erde den letzten Athemzug gethan, des Lebens Puls­schlag aufgehört?

Der heiße Rauch steigt nicht mehr aus dem Schornstein. Die Vöglein stellen ihren Flug ein. Das Hausgethier sucht, in der Erde wühlend, das Haupt zu bergen. Die Bäume senken ihre Kronen. Die Blätter schmiegen sich an das Geäste. Die Blüthenkelche schließen sich, und der fröhlichen Jnsecten millionenstimmiges Gesumme verstummt mit einem Male. Hoch