RudolpH, Fürst zu Liechtenstein.
28 H
Das Thor steht offen. Davor ein Wagen. Ein Mann steigt aus; — er tritt in den Hofraum und schlägt den Blick auf wie Einer, der nach langer Zeit und unverhofft die Heimath wieder schaut. Noch hat er nicht die Hälfte des Weges durchschritten, der zum Schlosse führt, da tönt ein Schrei, von dem man nicht weiß, ob die Freude, ob der Schmerz ihn ausgestoßen hat, vom inneren Thor des Hauses über den freien Platz, den in dem nächsten Augenblicke schon eine weibliche Gestalt durchfliegt.
Sie treffen in der Mitte an einander. Wie festgewurzelt steht er still. — Kaum bleibt ihm Zeit, die Arme auszubreiten, in denen er Irenen auffängt, die im jähen Fluge den Nacken ihm umschlingt. —
Sie hängt an ihm, so fest an seine Brust geschmiegt, daß ihm der Athen: stockt. Er senkt den Blick halb fchmerzensvoll, halb selig auf das geliebte Haupt, das an seinem Busen ruht. Doch, wie er ihres Herzens wildes Pochen hört, bemeistert ihn die Angst. Er sucht, sei es noch so schwer, der inneren Erregung Herr zu werden, nach einem sanften Worte, sie zu beruhigen. Das wehrt sie seinem Munde mit der Hand und wendet ihr Antlitz mit halbgeöffnetem Auge auf zu ihm und sinkt, wie von des Schlummers Kuß berührt, wieder zurück an seine Brust. —
Es heilt das Glück in wenigen Secunden die Wunde, die den Lebenskampf geschlagen, und in der Stille eines seligen Augenblickes vollzieht sich die Wiedergeburt des Herzens. —
So wagt auch Daniel nicht des Schweigens süße Träumerei zu stören, und läßt den holden Zauber, der über Irenens Züge des Friedens wonnigen Thau ergießt, erst seines Amtes walten; denn dieses Zaubers Hilfe bedarf auch er, der Dinge seltsame Verkettung sich zu erklären. —
Noch lagen sich die Beiden in den Armen, wie sich der Epheu nur die Eiche rankt; da Agnes, die eigene namenlose Freude heldenhaft bekämpfend, mit seliger Scheu das Bild betrachtet, das ihr des Räthsels heiß ersehnte Lösung bringt. —
Ja, die Natur, die ruht und rastet nicht, bis der Liebe Samen allüberall in ihrem Reiche ausgeht. —