Heft 
(1880) 38
Seite
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28 § - ^ Gustav Zirschfeld in Königsberg. -

neue, doch bestimmter gestellte Frage enthält: das Leben des Alterthums war damals zu Ende, als die Feier seiner Gedenktage, die Feier seiner religiösen Festtage aufhörte, welche auch im Grunde als Gedenktage zu betrachten sind. Denn nicht nur daß dadurch so viele äußere Anlässe zu Kundgebungen fort­sielen, welche den Zusammenhang mit der ganzen Vergangenheit stets auf's Neue bezeugten und wach erhielten, mit der Nichtachtung der großen religiösen und historischen Erinnerungstage war auch auf immer die alte Tradition für unwerth erklärt, ihr einigendes Band gelöst, einer lebendigen Geschichte auf einen Schlag der Lebensfaden durchschnitten. Das wußte der große Theodosius wohl, als er bei den strengsten Strafen die Feier der alten heidnischen Spiele verbot: damit legte er so die Axt an die Wurzel des alten Lebens, wie sie die Bekehrer in den deutschen Wäldern in Wirklichkeit an die Eichen legten, die zu offener und heimlicher Zusammenkunft und Fest­feier den heiligen Mittelpunkt abgaben. Und es war in diesem Sinne, in der Absicht auf immer zu trennen, daß das Concil von Nicaea statt des alten jüdischen Sabbaths den folgenden Tag für den heiligen der Woche erklärte, wie in gleichem Streben nach Sonderung Mahomed feinen Anhängern den vorhergehenden Tag zum Feiern bestimmt hat.

Wie die Mitglieder einer Familie am Gedenktag des Einzelnen durch ihre Theilnahme als zusammengehörig sich zu erkennen geben, so sind es die Festtage und Gedenktage im Leben der Völker, welche diese selber an ihr geschichtliches Leben, an eine gemeinsame Vergangenheit und damit an ihre Zusammengehörigkeit erinnern und diese betonen. Und wohl gehören die Glieder einer Familie Tag aus Tag ein zusammen, wohl hegen sie täglich die gleiche gute Gesinnung für einander, aber diese ist gleichsam latent, es bedarf eines bestimmten Tages, des bestimmten Anlasses, um dem Gefühl Ausdruck zu geben und es damit aufs Neue voll zum Bewußtsein zu bringen. Dasselbe gilt von den Gliedern eines Volkes, und das gleiche Fest ist wie das Band, so auch der stets neue Beweis der gleichen Nation.

Daher haben in umgekehrtem Gange der Erkenntniß die Hellenen alle Nicht-Hellenen von ihren Festen ausgeschlossen, so lange sie einer selbständigen Entwickelung sich erfreuten; die kleinsten Orte hielten spät noch von ihren provinziellen Festen jeden Nichteingeborenen fern; das Volk der kleinasiatischen Karer bewies noch in römischer Zeit seine uralte Stammesgleichheit mit den beiden andern Hauptvölkern des westlichen Kleinasiens, den Lydern und Mysern, durch das gleiche Heiligthum, das gleiche Fest, das Alle drei vereint begingen; und wer zu den Ioniern gehörte, den erkannte man, wie Herodot sagt, durch die Theilnahme am Feste der Apaturien.

So sind die Feste nach zwei Seiten hin als ein nationales Element zu betrachten: sie beweisen die Zusammengehörigkeit eines Volkes und sind berufen, dieselbe zu erhalten und zu stärken. Aber dieser Einfluß ist durch die Art der Feier durchaus bedingt: es giebt sehr äußerliche, sehr all­gemeine Formen der Festseier, und solche, welche tief in der individuellen