Heft 
(1880) 38
Seite
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- Fesifeier und Gedenktage im griechischen Alterthmn. - 28?

Natur eines Volkes begründet sind. Wer hätte je die psychologische Bedeutung der Gladiatorenkämpfe im alten Rom, der Stierhetzen in Spanien verkannt?

Man wird aber sagen dürfen, daß die Feste ein um so wichtigeres Element des Volkslebens bilden, je mehr die Form ihrer Feier einerseits dem allgemein menschlichen Sinne entspricht, andererseits aber doch eigenthümlich ausgeprägt und nach der Volksindividualität selbstständig entwickelt erscheint. Das aber war allein in vollkommenster Weise bei den Hellenen der Fall, denen ein gütiges Geschick gegeben hatte, eine normale Naturanlage ganz frei zu entwickeln und in voller Unbefangenheit zur Geltung zu bringen.

Freilich können ja nicht alle Formen der Festesfeier durch das Wesen der Feiernden allein bestimmt werden, vor allen nicht die Begehung der religiösen Feste, denen doch stets ein besonderes Element anzuhaften pflegt, das der willkürlichen Wendung und Verwendung widerstrebt. Der Cultus der griechischen Götter war ja voll von Beziehungen zu besonderen Zügen des Lebens und Wirkens der Unsterblichen, welche so das Eigenthümliche auch der Feier bestimmten. So war es z. B. im Sinne der Sage, wenn bei der Feier der Eleusinischen Mysterien das ganze Volk der Athener klagend ausging, gleichsam der Demeter ihre verlorene Tochter wiedersinden zu helfen; im Sinne der Sage war es, wenn man bei der Feier der Hyakinthien zu Sparta ohne Gesänge und Kränze zum Festmahle ging, den frühen Tod des schönen spartanischen Königsohnes Hyakinthos zu betrauern; im Sinne der Sage, wenn die Festgenossen an den Tagen der Poseidien zu Aegina in tiefem Schweigen ihr Mahl verzehrten zum Andenken daran, daß einst vom troischen Kamps allzuwenige Aegineten heimgekehrt waren; so wagten selbst diejenigen deren Angehörige erhalten geblieben, ihre Freude nicht laut zu äußern, um nicht die Anderen zu kränken: man empfing sie in stiller Feier und ohne Beisein von Fremden.

Der Athena Skiras zu Ehren stellten Jünglinge edler Abkunst im Hafen Phaleron Wettläuse an, während sie blühende Rebschosse in den Händen hielten; an den Heraien von Argos galt es, im Wetteifer einen hoch ange­brachten Schild von der Mauer zu reißen; wilde Kriegstänze waren mit den Mysterien des Zeus in Kreta verbunden; eine Nachahmung des Kampfes mit dem pythischen Drachen, den einst Apollon erlegt, fand jedes achte Jahr in Delphi statt.

Diese sind nur einige von sehr zahlreichen Beispielen für besondere Festgebräuche, aber schon diese, besonders die letzteren, zeigen uns einen bemerkenswerthen Gegensatz zwischen der alten und neuen Zeit: unsere Festfeier charakterisirt im Allgemeinen mehr ein Hang zur Ruhe, wenigstens zu ruhigem, mühelosem Genuß; werden wir nun gewahr, daß die Hellenen auch schon da, wo ein religiöser Grund eine besondere Form der Festesseier vorschrieb, diese doch thunlichst mit einer Anstrengung ihres Leibes verbinden, so gewinnt es den Anschein, als hätten sie von Festfeier überhaupt einen durchaus anderen Begriff gehabt als wir. Und in der That, durch alle die zahllosen Feste, welche bald die ganze Nation, bald enger verbundene Staats­gemeinden, bald die einzelne Stadt beging, durch alle Feste der Götter und