2^0 — Gustav öirschfeld in Königsberg. -
Ja, sogar in der Sphäre des thierischen Lebens ward dies als natürliche Aeußerung vorausgesetzt: wo die Propontis sich bald zum Hellesponte verengt, da lag, weithin sichtbar, am einsamen Strande Kleinasiens, das Grabmal des schönen, jugendlichen troischen Helden Memnon; alljährlich, so meldete die Sage, an einem bestimmten Tage eilten hierher die Vögel seiner ägyptischen Heimath, die man Memnoniden nannte, und im Wettkampf feierten sie dort das Andenken des Heroen.
Festlicher Aufzug und Wettkampf, sie gehören für die griechische Festseier eng zusammen: diesen leitet der Aufzug ein oder schließt ihn ab, denn es scheint nicht geziemend, daß eine solche Schaustellung ohne Sang und Klang anhebe oder ende.
Keine Beschreibung kann uns von einem antiken Festaufzuge ein anschaulicheres, ein herrlicheres Bild gewähren, als der Schmuck des Parthenon auf der Akropolis zu Athen, der Fries, der hoch oben um alle Seiten des Tempelhaufes der Athene gleich einem gewirkten Saume sich hinzog. Dieser nämlich giebt ein um so vollkommeneres Bild, je weniger er mit historischer Treue einen bestimmten Zug veranschaulicht, während andererseits doch wieder so viele individuelle Wendungen hineinverwoben sind, daß er den gesammten Eindruck eines Festaufzuges gerade in Athen wiedergiebt; aus der gewöhnlichen, menschlichen Sphäre wird er nach allgemeiner antiker Weise schon dadurch herausgehoben, daß auch die Götter selber als wirklich anwesend dargestellt sind, deren Gegenwart die irdisch en frommen Festgenossen sonst nur empfinden mußten. Hier ist auf sie der ganze Zug gerichtet, dessen wesentliche Theile diese find: Festordner, zugleich angesehene Männer des Staates, schreiten in glänzenden Gewändern dem Zuge voran, — die gewöhnliche Festsarbe auch des Alterthums war die weiße —, ihnen zunächst find Reihen von Jungfrauen, welche die leichteren Geräthe, die das folgende Opfer verlangt, fromm und still herbeitragen; in lebhafter Bewegung kommen die Opferthiere, Widder und Stiere, muthig, gleichsam freudig eilen sie vorwärts, von edlen schlanken Jünglingsgestalten geleitet und zurückgehalten. Dann nahen Züge von Männern und Jünglingen, mit Gefäßen, Krügen und Schalen die Ersten, darauf Andere mit Flöten und Lehern, nach deren Tönen die klebrigen schreiten. Diesen folgen die glänzenden Schaaren solcher, die nur Schmuck und Zier des Zuges bilden, die festlichen Ausfahrten bewaffneter Männer auf Kriegswagen, die ein Viergespann zieht, und endlich die langen, fast unübersehbaren Züge leichter Reiter in zwangloser würdigster Haltung, welche den herrlichen Zug gleichsam schützend, schließen und zusammenhalten. Langsam kommt er heran; windet sich, einem schimmernden Bande vergleichbar, durch die Straßen hoch empor zu der Burg, wo der marmorne Tempel der Göttin, zu dem er emporzieht, herüberwinkt über die säulengetragenen Thore.
Das war die Einleitung eines griechischen Festes; und was hier in Athen geschah, das wiederholte sich mit mehr oder weniger Pracht und Beschränkung an allen den zahllosen Orten der alten Welt, den zahllosen Festen, bei welchen Aufzug und Opfer den feierlichen Kampfspielen vorangingen.