Heft 
(1880) 38
Seite
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292 Gustav Lsirschfeld in Königsberg.

wurde. Immer mehr gewinnen sie bei der Abnahme des politischen Lebens in Griechenland an Ausdehnung und Bedeutung: Olympien, Jsthmien, Pythien und Nemeen, d. h. Feste nach den: Muster und der Anordnung dieser vier großen nationalen, feiert man später über die ganze antike Welt, bisweilen au Plätzen geringster Bedeutung.

Wohl haben auch festliche Gelage die Feiernden vereint, und in frohem, zur Theilnahme geneigten Gefühl sind an solchen Tagen selbst die Sclaven hie und da zur Tafel gezogen worden, ja die Herren haben diese wohl gar selber bedient; aber selten war das Mahl der Mittelpunkt der ganzen Feier, niemals bei größeren Festen. Nur in dem immer bäuerlich gebliebenen Areadien konnte sich ein Wettkampf im Vielessen ausbilden, während der Wetteifer im Trinken am Dionysosseste zu Athen als Dienst des Gottes gelten durste.

So wurden von den Hellenen die religiösen Feste, so aber auch die historischen Gedenktage begangen. Das Gedenken im tiefsten Sinne ist ja überhaupt einer ihrer liebenswürdigsten und gemütvollsten Züge gewesen: jedes glückliche, bedeutsame Ereigniß, das dem Einzelnen, der Stadt, der Gesammtheit begegnet, findet in Weihgeschenken an die Götter einen dauernden Ausdruck und wird durch ein Denkmal der vorübergehenden Bedeutung und der zufälligen zeitlichen Sphäre entrückt. Auch dem tiefen Ernste hat man sich dabei nicht entzogen, wie der steinerne Löwe beweist, derTodten und Lebenden schwer" auf dem Schlachtfeld von Chaeronea noch heute der Stelle gedenkt, wo Griechenland vor Philipp von Maccdonien unterlag.

So konnte es denn nicht fehlen, daß bei dem an bedeutenden Ereignissen so reichen staatlichen Leben der Hellenen sich nach und nach eine Reihe von Gedenktagen herausbildete, gewissermaßen eine zweite, obere, historische Schicht über den religiösen Feiertagen. Welche aber erschienen den Griechen vor anderen würdig, als Gedenktage begangen zu werden? Diese Frage beantwortet Plutarch: nicht die Tage, so sagt er, feiert man, an denen Aeschylos oder Sophokles im musischen Kampf gesiegt, sondern die Tage von Marathon, Salamis, Plataeae u. s. w., also Siegestage, deren Ruhm und Verdienst gleich­sam jeden im Volke Persönlich anging, und welche nebenbei schließlich wie ein ge­drängter und zugleich idealer Auszug aus der ganzen Geschichte erscheinen mußten.

Wann die Hellenen angefangen haben, solche historischen Gedenktage zu feiern, ist nicht fo gewiß, wie ein Anderes, daß fie nämlich auch für diese ein Vorbild im Mythus fanden: so begingen die Athener den Sieg der Athene über Poseidon im Kampf um ihre Stadt durch das Fest der Niketerien, und auch die allerersten Olympischen Spiele waren eine Siegesfeier, da Zeus dieselben nach dem Siege über seinen Vater Kronos angestellt haben sollte.

Wie aber die bildende Kunst der Griechen nur ganz allmählich von der Gestaltung religiöser Gegenstände und Motive zu den rein menschlichen über­gegangen ist, und auch für diese noch lange Zeit hindurch eine Anlehnung an Mythisches und Religiöses gesucht hat, so wurden auch die historischen Gedenktage mit Vorliebe im Mythischen gleichsam fundamentirt oder auch den religiösen Festtagen eingefügt. Galt doch jedes glückliche Ereigniß, jede