Heft 
(1880) 41
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Kuno Fischer.

kamps", der zur vollen Gluth angefacht wurde, als die Regierung die Er­nennung Heinrichs von Vicari zum Erzbischof von Freiburg geschehen, ließ. Dieser Prälat, der die in den Regierungssphären eingetretene reactionäre Strömung zu seinen Gunsten wohl zu verwerthen verstand, beanspruchte, wie es der Ultramontanismus von jeher gethan hat und immer wieder thuu wird, eine vollständige kirchenpolitische Unabhängigkeit Pom Staate, die einer ultramontanen Suprematie über denselben gleichkam. Er griff die Regierung direct an, indem er die Auslösung des katholischen Oberkirchenraths forderte und die Mitglieder desselben, die seinem Befehle nicht gehorchten, mit der Excommunication belegte. Der Erzbischof und seine sehr starke Partei suchten vor allen Dingen einen maßgebenden Einfluß aus das gesammte Schulwesen des Landes zu gewinnen und erreichten zum großen Theil diesen ihren Zweck. Die beiden Landesuniversitäten wurden fest im Auge behalten. Die Universität Freiburg unterlag dem Einfluß des Jesuitismus.

Im Hinblick aus die Schicksale, die Kuno Fischer damals in Heidelberg erlebt hat, sagt der berühmte Kirchenhistoriker Karl Hase:Auch ein

geborener Professor der Philosophie, der ihren geschichtlichen Trägern gerecht werden wollte, unterlag für einen Moment der theologischen An- und Wehklage". Indessen dauerte dieser Moment über drei Jahre.

Auf die akademische Laufbahn kraft seiner Begabung hingewiesen, jetzt plötzlich durch unverdiente Schicksale daraus verdrängt und in seiner Zukunft bedroht, wendete sich Fischer im Spätherbst 1855 nach Berlin, um au der dortigen Universität eine neue Habilitation zu versuchen. Dies geschah aus den Rath zweier Männer, deren Interesse er gewonnen hatte: der Geheim- räthe August Böckh und Johannes Schultze, der damals im Cultus- ministerium die Universitätsangelegenheiten zu leiten hatte. Die Habilitation wurde ausgeführt, alle dazu gehörigen Bedingungen erfüllt. Als sie den: damaligen Cultusminister von Raumer gemeldet wurde, .versagte dieser seine Einwilligung und verbot die Ausnahme.Fischers unter die Docenten der Berliner Universität. Als Grund wurden die badischen Maßregeln angeführt, bei denen selbst kein Grund genannt worden war, Die Facultat richtete an Seine Majestät den König ein Gesuch und bat um Aufhebung des ministeriellen Verbots. Es scheint, daß Alexander von Humboldt seinen der Wissenschaft stets günstigen Einfluß auch in dieser Sache geltend gemacht und den Wunsch der Facultät am höchsten Ort lebhaft unterstützt hat. Der König forderte zwei theologische Gutachten: eines von dem Generalsuperintendenten Hossmann, das andere von Hengstenberg. Jenes fiel bejahend, dieses verneinend aus. (Dem letzteren soll, wie damals öffentliche Blätter erzählten, das Malheur begegnet sein, daß er sich in dem oorpus cksliotl vergriffen und die Schriften eines anderen (Karl Philipp) Fischer begutachtet haben soll.) Der König entschied zu Gunsten Fischers und hob das Verbot des Ministers durch eine Cabinetsordre auf, nach deren Eröffnung Fischer seine Vorlesungen in Berlin hätte beginnen können. Aber diese Eröffnung ließ auf sich warten und