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Kuno Fischer.
dritter Auflage erscheint, so muß es offenbar Eigenschaften haben, krast deren es weit über den Kreis der Zuhörer und der Fachgelehrten sich Bahn zu brechen vermocht hat. Fischers „Geschichte der neuern Philosophie" hat dieser Wissenschaft in unserer Zeit mehr genützt, als die mancherlei Systeme seit Hegel, die, Schopenhauer und Hartmann ausgenommen, das Interesse der Welt jenseits der Zuhörer- und der Fachgelehrtenkreise kaum oder gar nicht berührt haben. Seine Bücher haben die Ideen der neuen Philosophie in jedem ihrer Hauptsysteme so einfach und klar dargelegt, daß die Bedeutung und der historische Charakter derselben jedem aufmerksamen und denkenden Leser einleuchtet. Die Art seiner Darstellung ist die sach- gemäßeste, durch die Methode der Entwickelung geschulte und lehrreiche Objectivität. Er beurtheilt die Systeme nicht von einem fremden Standpunkte aus, der sich in allerhand Reflexionen ergeht, sondern er identificirt sich mit denselben, entwickelt und stellt sie von dem Standpunkte der behandelten Philosophen selbst dar. Sein tiefes Eindringen in den Grundgedanken, seine klare Auffassung des sich daraus gestaltenden Lehrgebäudes hat die Wirkung, daß sich das ganze System eines jeden Philosophen vor den Augen des Lesers langsam ausrollt und auf diese Weise ein übersichtliches, in allen Theilen deutliches Bild entsteht. Auf diese Weise tritt uns das Ganze in einer solchen Klarheit und architektonischen Einfachheit entgegen, daß man mit Ueberraschuug fragt, worin denn die gerühmten und gefürchteten Schwierigkeiten für das Verständniß dieses oder jenes Philosophen liegen? Fischer vereinigt mit der logischen Schärfe der Sprache eine so natürliche Klarheit und Einfachheit des Ausdrucks, daß mancher, durch eine ganz entgegengesetzte Behandlung verscheucht, — ich verweise nur, statt vieler anderer, auf Hegel selbst, — verwundert gefragt haben mag: Wie ist es
nur möglich, die schwierigsten philosophischen Probleme so durchsichtig darzustellen? „Es ist nichts leichter", sagt Schopenhauer an einer Stelle seiner Parerga, „als so zu schreiben, daß kein Mensch es versteht; wie hingegen nichts schwerer, als bedeutende Gedanken so auszudrücken, daß jeder sie verstehen muß". Das Horazische Wort bestätigt sich immer von neuem, daß das richtige Verstehen Grund und Quelle der richtigen Schreibart ist. „Leribsncki rsets sapsrs 68t 6t xriuoipiunr 6t konbA
Zur Belebung und Vervollständigung der Darstellungen seines Werks trägt die reiche Berücksichtigung der biographischen und culturgeschichtlichen Elemente sehr viel bei. Werden in einer Geschichte der Philosophie nur die Systeme ohne ihre geschichtlichen Wurzeln gegeben, so erhalten wir den Eindruck künstlicher Abstracta. Sehen wir aber, wie der dargestellte Philosoph von Anfang an lebte, wirkte und irrte, wie sein ganzes inneres Wesen unter dem Einfluß günstiger oder hemmender Umstände sich nach und nach entwickelte, so haben wir den ganzen Mann und sein ganzes Philosophien in lebensvoller Wahrheit vor Augen.
Auch außerhalb Deutschlands haben die Schriften Fischers ihre Aner-