Hans Hoffmann in Ztettin.
^ >
282
Das allerlieblichste Bild gaben die besonders bevorzugten llg-lie, äi Llarin, kleine Mädchen, weiß gekleidet und zierlich, die dicht hinter den prächtigen Priestern einhergingen, hell und glücklich und doch nicht ohne selbstbewußten Ernst mit ihren zarten Sümmchen singend und zuweilen heimliche, beifallsuchende Blicke zu ihren Müttern emporschickend, welche voll stolzer Bewunderung einzeln neben dem Zuge hinwandelten. Oben auf den Garten
mauern und den Dächern saßen andere kleine geputzte Geschöpfchen mit großen Blumenkörben und ließen einen duftigen, ununterbrochenen Regen von Rosenblättern aus die schreitenden kleinen Ehrendamen hinabrieseln, als ob holde, freundliche Genien die Fülle verheißungsvollen Segens vom Himmel selbst auf die beglückten jüngsten Erdenkinderchen schütteten.
Von diesen weißen Marientöchtern, sah ich, hatte sich eine, sie mochte leicht die niedlichste von allen sein, aus der Reihe ihrer Schwestern gelöst und rückwärts gedrängt und marschirte tapfer mitten in dem Schwarm der ihnen folgenden Knaben, obwohl diese weit minder schön gekleidet waren und weit geringeren Ernst und sittsamen Wandel bewahrten. Einer freilich machte in letzterer Beziehung eine rühmliche Ausnahme, und den eben führte das tapfere, kleine Mädchen an der Hand, immer ein wenig vorauseilend, als ob es seine Schritte leiten wollte. Er war ein schmächtiger, bläßlicher Junge von dürftigen Gliedern und eckigen, reizlosen Zügen, merkwürdig abstechend von den frischen, feurigen Gesichtern und den schlanken, geschmeidigen Gestalten der anderen Bübchen; und noch eines fiel mir seltsam an ihm auf: seine Augen blickten gradeaus zur Mittagssonne, dem heißen, blendenden Glanz, weit und starr geöffnet, und dieser Blick hatte etwas dumpf Verschleiertes, Unbestimmtes, als ob er in nebelhafte Ferne hinaussehe: ich konnte nicht lange zweifeln, der arme Bursche war blind. Um so herzlicher ward meine Theilnahme für die liebevolle junge Führerin erregt; doch ehe ich mir die -weichen Kinderzüge recht ins Gedächtniß prägen konnte, war das rührende Pärchen vorübergezogen und verschwand mir in dem zitternden Schleier der dichtschwebenden Rosenblätter.
Und bald auch ward der kleine Zwischenfall in meiner Erinnerung überrauscht und verwischt von der allgemeinen, großen, jubelnden und aufgeregten Festesfreude und den wechselnden, vielgestaltigen und farbenglühenden Bildern, die vor meinen freudig bewundernden Blicken vorüberzogen. Warum nur, dachte ich, verschmäht es unsere protestantische Kirche, den reizenden Bund mit der Schönheit und der Freude zu schließen, der hier das Gemüth ho leicht und so wundervoll ergreift und bewegt? Mit kühner Menschen- ckenntniß erfassen und berücken sie hier die bewegliche Phantasie der Kinder rmd des Volkes, und zwingen das berauschte Gemüth auch willenlos sich dem Höheren, Göttlichen zuzuwenden, das ihnen in so freudenreichem Gewände naht und schmeichelnd entgegenkommt: uns aber ermüdet in schmucklosen, kalten Räumen ein schwungloser Gottesdienst, der uns Lehren wiederholt