Heft 
(1880) 42
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Der schöne Lhecco.

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und Ermahnungen, Worte, Worte, wo das Herz mächtigere Klänge verlangt, und das Auge heimlich hinaufschaut nach Licht und Farben.

So gingen meine Gedanken. Ich war noch sehr jung, nur so eben aus den Banden der Schule entlassen und kam von frischen Leiden erzwungener sonntäglicher Kirchgänge, die dem Verstand kein Genüge mehr thaten und die Phantasie nicht zu fesseln wußten. Nimmer, das durfte ich mir sagen, war mein Herz von festlicher Andacht so reich bewegt und stimmungsvoll ergriffen worden, als von dieser jubelvollen, brausenden Feier eines seinem Gott in Freuden dienenden Volkes.

Ernsthaft und nachdenklich wunderte ich lange Zeit umher, ohne viel des Weges zu achten, und so kam ich zuletzt, als das frohe Getöse der Procession längst verklungen war, zu einigen abgelegenen Hüttchen am Rande einer rauhabstürzenden Schlucht, von großen Feldern der wunderlich gestalteten, stachligen Cactusfeigen umgeben: Caprile heißt die Stelle und bietet, von unten gesehen, noch mehr als irgend ein anderer Punkt des Eilandes, den fremdartig anmuthenden Anblick eines orientalischen Oertchens.

Und hier erblickte ich vor den Thüren zweier, gerade einander gegen­über liegender, ärmlicher Häuser sitzend, mein sonderbares Kinderpärchen wieder.

Sie ergötzten sich beide damit, auf dem merkwürdigen Jnstrumentchen des Brummeisens oder der Maultrommel vieltönige, sonderbar zirpende Weisen zu surren und schienen solchen friedlichen Vergnügens kein Ende finden zu können. Das kleine Mädelchen trug noch ihr weißes Festkleid und saß darum achtsam auf einem Stein, sich vor dem Straßenstaube zu hüten. Es sah gar zu allerliebst aus, wie rasch und zierlich sie ihr rothes Mäulchen bewegte, daß die kleinen Zähne weißglänzend zwischen den lustigen Lippen hervorblitzten, indeß ihre feurigen Aeuglein voll und unverwandt auf dem blinden Gefährten ruhten. Einmal aber huschten sie doch bei Seite, und da entdeckten sie mich, der in erquickter Betrachtung abseits stehen geblieben war. Sogleich sprang das Kind empor, schlüpfte hurtig zu mir näher, reckte das niedliche braune Händchen aus und rief leicht gedämpften Tones: siAnor, dajooe'!" mit all der liebenswürdigen Bettleranmuth, die jenen zierlichen Geschöpfen eigen ist, mit Possirlich klagender Miene und dazu unverwüstlich lachenden Augen.

Wie heißt Du?" fragte ich.

.Carmela", antwortete sie.

Und der Knabe dort?"

Der schöne Checco".

Ich mußte lachen über die sonderbare Ironie in Kindermund.

Er ist blind?" fragte ich weiter.

Ach ja, Signor, er kann gar nichts sehen!" sagte sie mit einer wunderbar drolligen Miene erhobenen Kummers und streckte sogleich mit geschickter Benutzung des günstigen Umstandes die Hand ein wenig zudring-