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Hans Hossmann in Stettin.
licher vor. Ich gab ihr eine Kleinigkeit, und flink lief sie damit zu dem Knaben hinüber, kam hinter feinen Rücken, hielt ihm von hinten mit beiden Händen die Angen zu, als ob er fehen könnte, und fragte laut: „Wer ists?"
Und wie er mit pünklicher Sicherheit rieth: „Carmela!", da lachte sie höchst glückselig, ließ das Kupfer in ihrer Hand klingen, gab es ihm und sagte:
„Deine Mutter hat mir diese blanken Goldstücke geliehen, nimm Du sie zurück!"
Der Knabe empfing das Geld ruhig, ergriff dann den Arm des kleinen Dinges und hielt es fest, strich ihm langsam mit der Hand übers Antlitz, nahm dazu eine Miene an, als ob er dasselbe aufmerksam betrachtete und sagte endlich mit eigentümlich ernster Ueberzeugung im Ton: „Du bist sehr hübsch, Carmela!"
„Ja", sagte sie, „und Du bist der schöne Checeo".
Jetzt war es mir klar, daß dies Kind mit vollem Bewußtsein zu lügen verstand, obgleich es kaum zehn Jahre zählen konnte: Denn daß der Junge recht häßlich war, konnte sicherlich auch einem Kinderauge nicht entgehen. Desto bessere Wahrheit aber sprach der Blinde, ohne es zu wissen; ein schöneres Kind als Carmela konnte wirklich selbst aus Capri nicht gefunden werden.
Nach diesem seltsamen Zwiegespräch begab sich die Kleine auf ihren Stein zurück und nahm ihr Maultrommelchen von Neuem hervor; und
wieder saßen nun die Beiden und zirpten gleich zwei munteren Heimchen
ihre zwitschernden Lieder in die Sonne.
Indem trat hinter dem Knaben eine Frau aus der Hütte, gelb, unschön und von ärmlicher Kleidung. Sie trug einen leeren Korb am Arm; ehe
sie damit fortging, preßte sie den Checeo fast heftig an sich und küßte ihn
mit leidenschaftlicher Zärtlichkeit, dann reichte sie Carmela die Hand mit einer gewissen demüthigen Dankbarkeit, wie etwa gut königstreue Leute ein kleines Prinzeßchen begrüßen würden, und ging.
Ich gesellte mich zu ihr und befragte sie über ihren Sohn; es entfiel mir dabei unwillkürlich das zweimal gehörte Wort „der schöne Checeo", höchst taktlos, wie es mir alsbald scheinen wollte. Sie aber blickte mich nur sehr freundlich an und sagte:
„Wißt Jhr's schon, Herr, daß er so heißt? Ihr seht Wohl, es ist nicht wahr, daß er schön ist, aber wir nennen ihn alle so; Carmela, die Kleine dort, Halls zuerst erfunden, ich weiß nicht, ob fius Neckerei oder Thorheit, aber ich Hab es angenommen und festgehalten, und nun sind die andern Leute auch so gut und geben ihm den Namen aus Mitleid: Ihr müßt wissen, als ich jung war, bin ich auch so häßlich gewesen" — weiß Gott, die gute Frau war's immer noch! — „und davon habe ich viel Kummer gelitten, denn wer häßlich ist, gilt nichts in diesem boshaften Volk: 1a brntta llsrssina nannten sie mich und verspotteten und mißachteten mich.