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Hans Hoffmann in Stettin.
„und werdet glauben, daß sie auch in ihrer Jugend nimmer schön und an- muthig gewesen ist. Nun ist das Volk hier im Lande sündhaft und vermessen und hat zu große Augen auf leibliche und irdische Schönheit, Jedermann sieht zuerst Gestalt und Angesicht eines Menschen an und vergißt, nach seinem Herzen zu fragen: und so ward auch die Teresa nicht eben zum Besten von ihnen behandelt, obwohl ich die junge Dirne nach Kräften vor Spott und Verschmähung zu schützen suchte. Aber ihr eigenes Herz vermochte ich dennoch nicht vor Trotz und fressender Bitterniß zu bewahren: vergebens ermahnte ich sie, sich vor dem Herrn zu beugen und seinen allweisen Willen geschehen zu lassen und ihm ihr wildstürmisches und unbußsertiges Herz zum Opfer darzubringen, sie aber mochte von solchem Trost nichts hören, verfiel in tiefe Verzagtheit vor den Menschen und begann mit diesen nicht sowohl, die ihr übel.begegneten, als mit Gott selber zu hadern, der sie so armselig geschaffen und ihr alles verweigert habe, was den Anderen zu Glück und Freude verhelfe.
Ich verstand nun wohl, daß es eine heimliche Sehnsucht nach Liebe war, die ihr von den Männern allen versagt ward wegen ihrer Häßlichkeit, was an ihrem Herzen zehrte, und deshalb übte ich eine Weile Geduld mit ihr, obgleich ihr unchristliches Gebühren je und je lauter und arger wurde. Und eines Tages, es war Fronleichnamsfest wie heute und die Procession war mit allem Gepränge umgezogen, da fand ich Teresina am Wege niedergesunken halb unter den Cactusstauden, und an den Stacheln hatte sie sich die Stirne blutig geritzt, ohne es zu achten. Da glaubte ich, sie habe sich wie der heilige Franciscus von Assisi unter die Dornen geworfen, um ihre trotzigen Begierden zu geißeln und zu zähmen, und redete darum gütig und tröstend zu ihr. Sie aber erhob sich schnell und war zormnüthiger als je zuvor und rief: „Ich habe die Kinder bei dem Festzuge gesehen, die süßen, holdseligen Engelchen, und ich konnte den Anblick nicht mehr ertragen, wie glücklich all ihre Mütter waren, die mit ihnen gehen durften, und ich will dies Elend auch nicht länger erdulden, ich will auch ein Kind haben wie die Andern, das ich pflegen und nähren und lieben kann!"
So rief sie mit gewaltsamer Stimme voll herber Leidenschaft. Und wie ich sie nun zu Verstand und Geduld ermahnte und daß sie demüthig und ruhig beten solle, ob es vielleicht dem Herrn gefalle, ihr auch so das Herz eines redlichen und bescheidenen Mannes zu öffnen, da schrie sie noch heftiger mit frevelhafter Vermessenheit: „Ich will keinen Mann, denn sie sind alle Narren und verdrießliche Gecken, die nichts können als mit hübschen Puppen spielen, ich will nichts als ein Kind, ein einziges kleines Kind, das mein ist und mein allein, und weiter verlange ich nichts auf der ganzen Welt. Ein Kind will ich haben, ob Ihr und die Andern es wollt oder nicht!"
Als ich ihr nun mit Ernst und größerer Strenge die Sündhaftigkeit solcher Rede verwies, lies sie plötzlich davon, ohne mir weitere Antwort zu geben, und ich blieb zurück verwundert und betreten über eine so große Ver-