Heft 
(1880) 42
Seite
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Der schöne Lhecco.

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Mittel ohne unser unheiliges Zuthun den Knaben von seinem Nebel zu erlösen. Meine Fürbitte aber vereint sich täglich mit der ihrigen, doch noch hat uns der Nnerforschliche keine Erhörung gegeben".

Soweit ging die Erzählung des Priesters Don Elemente. Seine Sprache hatte etwas merkwürdig Ruhiges und Maßvolles, das zuweilen! in seltsamen Gegensatz zu seinen Worten trat; und eben diese Ruhe übte auf mein jugend­liches Gemüth einen unwiderstehlich bannenden Zauber, daß ich nicht ein einziges Mal ihn auch nur mit einem Ausruf zu unterbrechen wagte, sondern still­schweigend und ehrfurchtsvoll seinen Worten lauschte, so sehr mich auch deren Inhalt aufregte und erschütterte empörte, darf ich nicht sagen, denn ich hatte nicht einmal den Muth, dieses Gefühl in meinem eignen Innern auf- kommen zu lassen. Ich wunderte mich keinen Augenblick, daß die unglückliche Teresa dem Einfluß dieses Mannes schließlich erlegen war, ich begriff nur das nicht, durch welche Kraft sie ihm so lange hatte widerstehen können. Er saß jetzt schweigend und sinnend gleich mir, seine großen, stillen Augen waren nicht auf mich gerichtet, und doch war es mir, als hielten sie mich unausweichlich fest in ihrem Bereich, als suchten sie jedes Zucken meiner Wimper, jede Regung meiner Lippen; nur ganz schüchterne Blicke wagte ich aus sein Antlitz zu werfen, aber immer von Neuem staunte ich dann über die Marmor­schönheit desselben und den Ausdruck abgeschlossener, ruhiger, ja milder Klarheit in seinen Zügen. Mit jedem Augenblicke ward mir dieser seltsame Mensch mehr zu einem schönen, unheimlichen Räthsel. Ich schauderte vor seiner Erzählung, und ich war begeistert von seiner Persönlichkeit wie ich noch vor Kurzem mich für den Lehrer am vollsten begeistert hatte, den ich am meisten fürchtete.

Ganz allmählich gestaltete sich auf Don Elementes Lippen ein Lächeln, so leise, so sein, so unmerklich, wie es manche griechische Bildwerke der aller­edelsten Zeit der Kunst zeigen: und mit diesem Lächeln reichte er mir die Hand und sagte ohne jeden besonderen Ausdruck:

Ihr seid Protestant, junger Herr".

Aber mir war, als habe er mir bis in's innerste Herz gesehen, und ich ... ich ... ja, ich schämte mich in diesem einen Augenblick vor diesem einen Menschen, daß ich Protestant war. Ich hatte so ungefähr das Gefühl, als wenn jener still gefürchtete Lehrer bei Besprechung irgend einer tieferen Frage plötzlich mit den Worten abbrach:Doch die Erörterung dieser Dinge paßt wohl noch nicht ganz für Ihre augenblickliche geistige Entwickelung". Wir waren dann jedesmal so vollkommen überzeugt gewesen, daß diese Er­örterung wirklich jetzt und noch lange nicht für unsere geistige Entwickelung paßte!

Ich war freundlich und in Gnaden entlassen.

Die Sünden der Väter werden heimgesucht an den Kindern bis in's dritte und vierte Glied! tönte es unablässig vor meinen Ohren mit jener leidenschaftslosen Stimme des schönen Greises, die keinen heftigeren Ausdruck hatte, als wenn er ein stilles Naturgesetz verkündet hätte: die Blätter des