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Hans Hoffmann in Stettin.
Frühlings welken im Herbste, oder: jedes Ding hat seine Zeit, oder dergleichen harmlose und schwer zu leugnende Wahrheiten. Jedesmal, wenn er jenes furchtbare Wort gesprochen, hatte mir die gnadenreiche Entgegnung auf den Lippen geschwebt:
„Es erbt der Eltern Segen, nicht ihr Fluch!" Aber über die Lippen war sie nicht hinausgetreten; wie hätte ich es gewagt! Wie hätte ich es vor den Manen des Dichters verantworten können, daß dieser sich von dem wunderbaren Priester mit jenem unbeschreiblichen Lächeln hätte sagen lassen müssen: Ihr seid Protestant, junger Herr! . . .
Am nächsten Tage verließ ich die Insel Capri: ich kann wohl sagen, ich floh vor Don Elemente.
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Eine Reihe von Jahren war dahingegangen. Ich hatte daheim in den Nebeln des Nordens nach Kräften mir die Fackel der Wissenschaft leuchten lassen und hatte dann begonnen, mich der praktischen Verwerthung der gewonnenen Kenntnisse in Ausübung des ärztlichen Berufes hinzugeben. Wie oft geschah es mir jetzt in den Hütten der Armuth, der Verkommenheit und des Lasters, daß ich meines Don Elemente gedenken mußte und der schrecklichen Wahrheit seines Spruches: die Sünden der Väter werden heimgesncht an den Kindern bis in's dritte und vierte Glied! Nun freilich, wir thun unser Weniges, so gut wir können, diese Wahrheit zu bekämpfen und, wo es geht, aufzuheben ober doch abzustumpfen.
Naturwissenschaftliche Zwecke führten mich endlich einmal wieder über Alpen und Apenninen nach Neapel und stillten eine lange, heimlich genährte Sehnsucht nach dem Lande der Sonne und der Schönheit. Ich versagte es mir nicht, auch das liebe Eiland Capri wieder zu besuchen und mich nach den Schicksalen von Land und Leuten umzusehen. Ich fand gar manches Neue, prächtige Gasthöfe und Fremdenhäuser waren unten in der Stadt entstanden, und nach Anacapri hinauf führte, statt der uralten steilen Felsentreppe, ein neuer, eingesprengter und aufgemauerter Weg in stolzen, behaglichen Windungen um den Berg herum. Dort oben kehrte ich ein bei meinem alten, wackern und wohlgethanen Wirthe Don Salvators. Er begrüßte mich mit Freuden, führte mich unter sein freundliches, säulengetragenes Rebendach und brachte eine Flasche von seinem besten, selbstgezogenen 6apri dianoo.
„Nun, Salvatore", sagte ich, nachdem ich denselben gekostet und bewährt erfunden, „Neuigkeiten aus dem Laude! Mir islls hier wieder so grundbehaglich, als wäre ich vollberechtigt als ein Kind Eurer Insel, und ich höre gern, wie es den Menschen geht, die ihren lieben schmalen Raum bewohnen".
„Nicht grade viel verändert, Signor. Hier und da ist Einer todt; mein Gott, was hilft es? Andere sind dafür jung und Andre groß geworden. Neue Paare giebt es auch jedes Jahr".
„Das wäre so im Allgemeinen der Lauf der großen Welt auch. Doch im Besonderen: lebt Don Elemente noch?"