Heft 
(1880) 42
Seite
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Der schöne Lhecco.-

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Freilich lebt er und predigt und denkt nicht daran, so bald zu sterben, obgleich er wohl an die Siebzig schon herankommt".

Wie gehts dem Checco?"

Welchem Checco, Herr? Es giebt gar viele dieses Namens im Lande".

Dem blinden, meine ich".

Ach, dem schönen Checco?"

Trägt er immer noch den wunderlichen Namen?"

Ja. Und er ist jetzt ein rechtes Glückskind geworden!"

Ei, seht doch, der arme Blinde! Und worin liegt sein Glück? Lebt seine Mutter noch?"

Nein, die Teresina ist todt seit zwei Jahren. Man sagt, das Sterben sei ihr übermäßig schwer geworden, sie habe mit dem Tode gerungen wie mit einem bösen Thier, denn sie wollte durchaus nicht sterben, aus Sorge,

es möchte ihrem Sohn ohne sie übel und traurig ergehen. Und in ihrem

letzten Augenblick hat sie laut und schrecklich nach einem Arzt geschrieen, seine

Augen zu heilen, ehe sie stürbe. Aber es hat ihr nichts genützt, der Tod

war doch am Ende stärker als sie, er zwingt ja zuletzt uns alle auch".

Wenigstens macht das die Erfahrung der letzten paar Jahrtausende einigermaßen wahrscheinlich. Das arme Geschöpf hätte es auch wohl bedenken sollen. Aber was ward aus dem Knaben?"

Man merkt, Herr, daß Ihr wirklich lange von hier fort seid! Der schöne Checco ist längst kein Knabe mehr, er ist ein Mann geworden, und seit einigen Wochen sogar ein Ehemann. Und eben deshalb nannte ich ihn ein Glückskind, denn das allerhübscheste Mädchen von Anacapri hat er zur Frau bekommen. Allerdings, was nützt es ihm? Er kann sie ja doch nicht sehen. Aber Ihr solltet hingehen, Herr, und sie betrachten, sie ist wahrhaftig eine Sehenswürdigkeit! Carmela heißt sie".

Carmela? Doch nicht gar das nette Kindchen, das ihm gegenüber wohnte?"

Doch, freilich, grade die. Ihr kennt sie also?"

O wohl, ich sehe das prächtige Dingchen noch wie heute vor mir, wie es mit seinen hübschen Lippen so lustig auf dem Brummeisen zirpte, und wie zierlich es dann bettelte:LiAnor dnjoeo'!" und die Augen so sonnen­

hell dazu lachten".

Das thun die Augen noch, aber sie können nun auch Feuer sprühen, daß es einem an's Herz gehen kann, so alt man auch ist. Und groß ist sie geworden und wohlgewachsen und von feinem Gang, ich sage Euch, es ist eine Lust, das liebe Geschöpf nur anzusehen".

Das muß man schon glauben, da es Euch so jugendlich in Feuer bringt, Don Salvatore. Aber wie ist es denn gekommen, daß solche Perle keine schönere Fassung fand? Man weiß doch sonst die Schönheit hier zu schätzen, und ich bin sicher, daß Carmela Andere genug finden konnte, die

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