Goethes ,,Faust" als Bühnenwerk.
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Faust, als Herrscher, hat sich da einen stattlichen Palast errichtet, von dessen weitschauendem Altan aus er mit Stolz das Werk seines Geistes und seiner Hände: das dem Meere abgernngene Land, überblicken kann. In der Nähe des Palastes wohnt ein altes Paar, Philemon und Baucis von Goethe genannt, das schon früher an jener von den Wogen bedrohten Stätte sein Hüttchen gebaut, den kleinen Garten gepflegt und die Kapelle errichtet hatte, in der es „läutet, kniet und betet und dem alten Gott vertrant". Das „verdammte Läuten" gemahnt Faust beständig daran, daß er auch hier nicht als unumschränkter Herrscher gebieten darf, daß jene Scholle Erde, auf der Hütte und Kapelle stehen, und die er nun durch Damm und Dünen erst gesichert hat, Anderen gehört. Das verdrießt ihn, und er befiehlt Mephisto, der mit den „Gewaltigen" von fremden Meeren reiche Schätze heimbringt, dem „widrigen Geklingel" ein Ende zu machen. Die Alten sollen expro- priirt und auf ein schönes Gütchen mehr in's Land hineingebracht werden. Mephisto und die drei gewaltigen Gesellen machen aber nicht viel Federlesens mit den Alten. Sie stecken ihnen einfach das Haus über dem Kopf an, und da die unglücklichen greisen Leute nicht rechtzeitig auf Rettung bedacht sind, so finden sie mit dem Wanderer, den sie bewirthet hatten, in den Flammen ihren Tod.
Zwar flucht Faust dem „unbesonnenen, wilden Streich"; die Verantwortung dafür vermag er jedoch nicht von sich abzuschütteln.
In trüber und schwerer Stimmung verbrütet er schlaflos die Nacht. Da umschleichen ihn die vier grauen Weiber: Mangel, Schuld, Sorge und Noth.
Mangel, Schuld und Noth können dem Reichen nichts anhaben, und huschen wieder hinweg. Die Sorge aber spricht:
„Ihr Schwestern, ihr könnt nicht und dürft nicht hinein;
Die Sorge, sie schleicht sich durch's Schlüsselloch ein".
In dem schauerlichen und erhabenen Zwiegespräch zwischen Faust und der Sorge entrollt er noch einmal seines ganzen Lebens wunderliches Bild und zieht die Schlüsse daraus. Von der bequemen Vertröstung auf ein Jenseits mag er nichts wissen:
„Thor, wer dorthin die Augen blinzend richtet,
Sich über Wolken seines Gleichen dichtet!
Er stehe fest und sehe hier sich um;
Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm".
Mit Feiern und Beten ist's nicht gethan, nicht das orars, das ladorars ist ihm das Wesentliche, das unbefriedigte, nimmer rastende Schaffen in diefer Welt: die That und Thätigkeit — er kommt immer wieder darauf zurück:
„Im Weiterschreiten find' er Qual und Glück,
Er, unbefriedigt jeden Augenblick".
Gegen die unheimliche Gewalt, die ihn nun bedroht, gegen die Sorge,, ringt er rüstig. Er will deren Macht nicht anerkennen; da haucht sie ihn an, und Faust erblindet. Und doch bleibt der Thatkrästige der Sieger in dem Kampfe gegen die stärkere Gewalt des Schicksals: