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paulLindau inBerlin.
„Die Nacht scheint tiefer, tief hereinzudringen,
Allein im Innern leuchtet Helles Licht.
Was ich gedacht, ich eil' cs zu vollbringen!"
Und so ruft der Rastlose seine Leute aus dem Schlafe und feuert sie zur Arbeit an. Und als er nun die knirschenden Spatenstiche und das kollernde Aufwersen der Erdschollen vernimmt, meint er, der nicht mehr sehen kann, daß die segensreiche Arbeit in vollem Gange sei. Aber die Lemuren sind's, welche von Mephisto geleitet, Fansts Grab schaufeln. Der erblindete Faust ordnet noch weise die Arbeit, er schwelgt in dem Gedanken, wie er durch sein Werk den Tausenden Wohnsitze schafft, die nun ihrerseits durch rastlose Thätigkeit sich das einzig menschenwürdige Dasein: in Arbeit und Freiheit schaffen sollen — das Recht:
„Thätig-frei zu wohnen":
denn nur die unausgesetzte Arbeit, die Thätigkeit — Faust hält daran fest bis zu seinem letzten Athemzuge und fühlt sich am Abschlüsse seines Lebens gedrungen, dies immer wieder und wieder auszusprechen, —- nur die That soll der Inhalt des Menschenlebens sein, und
„Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muß", —
Bei dem Gedanken, wie er für diese thätige Menschheit segensreich schassen und wie er durch sein Beispiel eine „kühn-emsige Völkerschaft" zu rastlosem Wirken aneifern werde, empfindet er das höchste Glück. Und da spricht er das verhängnißvolle Wort, das ihn nach seinem Pacte mit Mephisto der Hölle überliefern soll! Da spricht er zum Augenblicke das Wort: „Verweile doch! Du bist so schön!"
Dem Tode verfällt er dadurch; aber was vermag der Tod dein Manne der That anzuhaben?
„Es kann die Spur von meinen Erdetagen Nicht in Aeonen untergehn!" —
Im Vorgefühle dieses hohen Glücks, im edelsten Genüsse sinkt Faust entseelt zurück.
Die Lemuren bestatten den Körper, den Mephisto ängstlich bewacht, um die austretende Seele zu erwischen. Er hat doch einige starke Bedenken, ob ihm nun der Gewinn der Wette auch wirklich zugesprochen und der Preis dafür, Faustens Seele, verfallen werde. Aus dem Höllenpfuhle beschwört er alle Teufel herauf, um sich die Beute zu sichern; aber das ganze widerwärtige Aufgebot der Höllenfratzen erweist sich ohnmächtig. Milde, versöhnliche Weisen ertönen von oben. Von unsichtbaren Händen gestreut fallen Rosen auf den Leichnam, und trotz alles wüsten Schmölens und Wetterns Mephistos, dessen niedrige Lüsternheit selbst in diesem Augenblick seiner Be- drängniß durch das erhabene Schauspiel der heranschwebenden Engel entfacht wird, wird Faustens Unsterbliches emporgehoben.
Wir sind an dem herrlichen Finale — der Apotheose, wie man es hat nennen dürfen — angelangt.