Heft 
(1880) 42
Seite
399
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- GoethesFaust" als Bühnenwerk.- 399

Die einfache Beseitigung desselben und die Ersetzung durch ein lebendes Bild halte ich nicht für möglich. Dogmatische Bedenken beschleichen mich nicht. Ob man sich nun das Ende des Faust orthodox-katholisch öden anders denkt ich habe kein Interesse zur Sache. Die Erlösung, gleich­viel ob eine confessionelle oder confessionslose Erlösung die den Abschluß bringt und den Ring der Tragödie schließt, will ich nicht blos sehen, ich will auch die Motivirung, die nach meiner Auffassung ein erhebliches Glied der Bühnenhandlung ausmacht, vernehmen.

Die Engel, Faustens Unsterbliches tragend, schweben heran:

Gerettet ist das edle Glied Der Geistcrwelt vom Bösen:

Wer immer strebend sich bemüht,

Den können wir erlösen;

Und hat an ihm die Liebe gar Von oben Theil genommen,

Begegnet ihm die selige Schaar Mit herzlichem Willkommen".

Durch das ungebrochene Streben, durch das unausgesetzte heiße Bemühn hat sich Faust den wohlverdienten Anspruch auf Erlösung errungen. Dem, der gestrebt, wird das Irren verziehen; und dem, der viel geliebt, wird viel vergeben. Die göttliche Macht ist eben barmherzig und von großer Güte. Und die heilige Jungfrau, die ein Menschenleben gelebt, menschlich empfunden und menschlich geliebt hat, ist milde. Vertrauensvoll und getrost darf Faust zu ihr sich aufrichten:

Dir der Unberührbaren,

Ist es nicht benommen,

Daß die leicht Verführbaren Traulich zu Dir kommen".

Und als eine der Büßerinnen, sonst Gretchen genannt, ihre inbrünstige Für­bitte an die Jungfrau richtet:

Neige, neige,

Du Ohncgleiche,

Du Strahlenreiche,

Dein Antlitz gnädig meinem Glück!

Der früh Geliebte,

Nicht mehr Getrübte,

Er kommt zurück . . .

Vergönne mir, ihn zu belehren,

Noch blendet ihn der neue Tag"

wird die rührende Fürbitte erhört, und die Jungfrau versetzt gnadenvoll:

Komm, hebe Dich zu höhern Sphären!

Wenn er Dich ahnet, folgt er nach".

In himmlischem Entzücken birgt Faust sein Angesicht und betet:

Jungfrau, Mutter, Königin,

Göttin, bleibe gnädig!"

Gesühnt und gereinigt zieht Faust unter der feierlichen Verkündigung des mystischen Chores in die Seligkeit ein.