Heft 
(1880) 42
Seite
402
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^02 - p)aul Lindau in Berlin.-

Einer der seligen Knaben wirst dazwischen:

Erlaubt, mir scheint, ihr wißt cs selber nicht.

Drum lasset mich damit in Ruh!"

Faust (für sich):

Du ahnungsvoller Schlingel, Du!"

Den Homunculus auf der Bühne lasse ich ohne alle Commentare und Symbole gelten als ein aus chemisch-physikalischem Wege hergestelltes Mensch­lein; und so hat sich auch seine Darstellbarkeit hier erwiesen. Das leuchtende Mannlein in der Flasche, das Faust und Mephisto den Weg zu den pharsa- lischen Feldern weist, ist nicht buhnenschwieriger als die Phorkyas und die Lemuren, die wir doch schlechterdings nicht entbehren können. Und sollten wir ohne Noth die geheimnißvoll schöne Wagnerscene (die Glocke tönt, die fürchterliche") über Bord werfen? Ich stimme mit Devrient entschieden für Beibehaltung des Studirzimmers aus dem ersten Theil, des vr. Wagner, des Baccalaureus und des Homunculus und finde es logisch und gut, daß diese Scenen auf der Bühne, wie Devrient es eingerichtet hat, den abgeschlossenen, zweiten Act bilden, der nun als adäquates Glied der Parallelhandlung der beiden Theile, gerade wie der zweite Act im ersten Theile, mit dem Aufflug Fausts und Mephistos auf dem Zaubermantel abschließt.

Im Gegensätze zu Frenzel und Devrient will Dingelstedt auch noch dem Euphorion den Garaus machen. Er hält ihn für nicht lebensfähig auf der Bühne. In diesem Punkte täuscht sich Dingelstedt. Die Aufführung auf dem Victoriatheater hat nicht nur die Lebensfähigkeit bis zur Evidenz erwiesen; sie hat auch dargethan, daß diese Episode eine der rührendsten, ergreifendsten und um ein Theaterwort zu gebrauchen der efsectvollsten des zweiten Theils ist. Ich bin nicht nur nicht für Streichung der Euphorion- scene; ich plaidire sogar dafür, daß die von Devrient sehr gekürzte Scene nahezu vollständig nach der Dichtung wieder hergestellt werde. Scenisch läßt sich diese Episode, wie ich glaube, allerdings noch viel schöner und poetischer dar­stellen, als wir sie gesehen haben. Frenzel giebt dafür sehr zu beherzigende Winke.

Ueber die kindliche Afterweisheit des ersten Bearbeiters des zweiten Theils, Dr. Wollheim da Fonseca, der Helena mit Gretchen identificirt und demgemäß auch Euphorion für Gretchens ertränktes Kind erklärt, und dies später noch als einen der seligen Knaben im Finale ausmarschiren läßt wodurch auch noch die heidnische Unterwelt mit dem katholischen Himmel vermengt wird darüber kein Wort! Dieser Entstellung wäre allerdings noch die von Dingelstedt befürwortete Tödtung bei Weitem vorzuziehen.

Mein principielles Einvernehmen mit dem Charakter der Devrient'schen Bearbeitung, die dem Dichter folgt, schließt meine Bedenken über einige Einzelheiten, meinen entschiedensten Widerspruch gegen andre nicht aus. Wenn der erste und zweite Act, Kaiserpfalz und Studirzimmer, ohne erhebliche Veränderungen, so wie Devrient sie bearbeitet hat, acceptirt werden können, so scheint mir der dritte Act, in dem Devrient sehr richtig die klassische