— Goethes „Faust" als Bühnenwerk.
§03
Walpurgisnacht und das Helena-Drama zusammenfaßt, berechtigten Wünschen Raum zu geben und verbesserungsbedürftig zu sein.
Nach meiner Auffassung nimmt bei ihm die klassische Walpurgisnacht, obwohl sie schon sehr erheblich zusammengestrichen ist, immer noch einen viel zu breiten Raum ein: Die Darstellung hat mir die Undarstellbar-
keit in dieser Gestalt bewiesen. Ebenso wenig wie der nordische Blocksberg den Eindruck des Spukhaften und Grausigen, macht diese klassische Walpurgisnacht den Eindruck des Heiteren, sinnlich Schönen und auch im Häßlichen Großartigen. Es ist auf der Bühne ein langweiliges Ballet mit eingestreuten Gesängen, die nichts zu bedeuten scheinen, und einem verbindenden Text, der unverstanden bleibt. Selbst bei den gedankenreichsten Versen ist man, wenn man sie von der Bühne herab hört, versucht, mit Mephisto auszurufen:
„Es krabbelt wohl mir um die Ohren,
Allein zum Herzen dringt es nicht",
Von dieser ganzen klassischen Walpurgisnacht wollen wir weiter nichts sehen als Faust, der nach Helena sucht, und Mephisto, der sich von den Phorkyaden die Maske holt, die ihm das Domicil im spukhaften Hellas ermöglicht und ihm verstattet, der Helena zu nahen; — durch alles Andere ein kühner Strich!
Dagegen würde meines Erachtens eine Erweiterung des von Devrient bis zur Unkenntlichkeit zusammengestrichenen Helena-Dramas geboten sein, wenn auch nicht in dem Umfange, wie Dingelstedt es wünscht. Es würde ferner nach Frenzels Vorschläge zwischen dem Aufbruch zum Kampf gegen Menelaos und der Euphorionscene eine Trennung zu schaffen sein; die Euphorionscene würde ich, wie ich schon sagte, fast unversehrt aufführen.
Die Geisterschlacht im vierten Act und die Blendung Fausts durch die Sorge können nach meinem Erachten zu einer weit gewaltigeren Wirkung gebracht werden, als dies unter der Devrient'schen Regie geschieht, Wie ich mir das Finale denke, habe ich in dem Berichte über die Handlung schon ausgeführt. Es ist wesentlich kürzer als die Devrient'sche Bearbeitung und enthält die wichtigen Verse, die Devrient dem Doctor Marianus abgenommen hat: Fausts Vertrauen zur Gnade und sein andächtiges Gebet, das ihn zur Seligkeit hinüberführt.
Die Veränderungen, die Devrient im Einzelnen vorgenommen hat sind mannigfacher Art. Von den Strichen, die eine absolute Nothwendig- keit sind, und deren Zweckmäßigkeit oder Zweckwidrigkeit hier unmöglich erörtert werden kann, abstrahire ich. Ich habe hier nur zu untersuchen: a) die Verschiebung der Verse, d) die Vertauschung der Personen, die diese Verse sprechen, o) die Veränderungen des Textes, die auf zum großen Theil zimperliche Bedenken zurückzuführen sind, und ä) die eigenen Zuthaten, die ich Zudichtungen nicht nennen mag.