Heft 
(1880) 42
Seite
404
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Paul Lindau in Berlin.

Devrient hat sich mit den Verschiebungen keinen Zwang auserlegt. Er hat in den Goethe'schen Versen, die doch recht wohlgeordnet zu sein pflegen, mit einer Keckheit herumgewirthschaftet, die in ihrer Weise genial genannt werden kann. Ich will nur eine einzige Stelle anführen und nach der Loeperschen Versauszählung die betreffenden Zahlen der Verse hinzufügen. Man wird daraus ersehen, wie Devrient springt: vierhundert Verse vor, wieder zweihundert zurück, wieder zweihundert vor, wieder zweihundert zurück, wie er mit einem Worte: mit Goethe umspringt:

305. Laß du den grauen Kerl nur walten,

306. Und Niemand nimmt dir etwas ab.

Faust.

725. Die hohlen Waffen aus der Säle Grüften

726. Empfinden sich erstarkt in freien Lüften,

727. Da droben rasselt's, klappert's lange schon,

728. Ein wunderbarer falscher Ton.

Mephistopheles.

729. Ganz recht! sie sind nicht mehr zu zügeln,

730. Schon schallt's von ritterlichen Prügeln

731. Wie in der holden alten Zeit!

526. Hört, wie sie sich voraus erboßen,

527. Blechklappernd aneinander stoßen!

737. Schon klingt das Tosen weit und breit.

Faust.

532. Der Horizont hat sich verdunkelt:c.

Aehnliche Beispiele ließen sich verdutzendsachen.

Von den Vertauschungen der Personen, welche die Verse sprechen Mephisto spricht z. B. zu Wagner die Abschiedsworte des Homunculus und im Helena-Drama einzelne Verse des Chors, die sich in seinem Munde seltsam genug ausnehmen will ich ebenfalls nur ein frappantes Beispiel anführen.

Das Gebet des Dr. Marianus, welches diesem die Seligkeit erschließt und das ist doch immerhin wichtig genug dieses Gebet:

Jungfrau, Mutter, Königin,

Göttin, bleibe gnädig!"

sprechen oder singen vielmehr bei Devrient die drei Erzengel: Raphael, Gabriel und Uriel. Das ist geradezu sinnwidrig. Denn so wird aus dem erlösenden, inbrünstigen Dankgebet des zur Gnade eingehenden Sünders einer der üblichen Lobgesänge, wie deren die seligen Engel wohl zu jeder Stunde mehrere anstimmen. Dies Gebet des vr. Marianus Faust giebt uns die Gewähr, daß Gretchens Fürbitte erhört worden ist; es ist der Dank für die schon erwiesene Gnade.Bleibe gnädig!" betet Faust. Es ist also von entscheidender Wichtigkeit, daß Faust diese Worte spricht, und es ist uner­findlich, weshalb Devrient diese den Erzengeln gegeben hat.

Die Veränderungen im Texte sind gerade wie im ersten Theil so auch im zweiten zumeist den Wünschen des Bearbeiters entsprungen, den Goethe'schen Derbheiten und Nacktheiten ein sittsam bühnenfähiges Mäntelchen