Goethes „Faust" als Bühnenwerk.
§07
„Nun lass' zum letzten Dienste Dich entzünden,
Homunculus! Und hilf mir Fausten finden.
Dann lös' ich Dich, dann magst Du Dich ergießen,
Um Dein gekünstelt Dasein zu beschließen".
Von anderen Zusätzen, die auf derselben dichterischen Höhe stehen, brauche ich nicht zu reden. Dem Einseitigen genügen wohl diese Citate.
Ziehen wir nun das Facit aus dieser Auseinandersetzung, die bei dem Wunsche, der mich erfüllt hat: nichts zu verschweigen, was die Sache, die Bühnenaufführung des Gesammt-„Faust", schädigen, und alles zu sagen, was sie fördern könnte, einen Umfang angenommen hat, den ich aus praktischen Gründen bedauern mag, so ist es das:
Die Aufführung des Gesammt-„Faust" ist eine Möglichkeit. Als solche wird sie eine nationale Pflicht, der sich die Berufensten zu unterziehen haben.
Zum Theil vortreffliche und zu beherzigende, jedenfalls sorgsam zu prüfende Vorschläge dafür haben Franz Dingelstedt und Karl Frenzel gemacht.
Devrient hat eine nützliche, praktische Vorarbeit geliefert, die vieles Gute gefördert, und in dem Mißlungenen den Späteren gezeigt hat, welche Fehler zu vermeiden sein werden, an welchen Stellen ihr Talent vor allem einzutreten haben wird.
Der spätere berufene „Faust"-Bearbeiter muß den Bühnenpraktiker und den Dichter in sich vereinigen.
Devrient ist ein tüchtiger, aber einseitiger Bühnentechniker ohne poetische Ader. Da, wo es sich um scenische Einrichtungen handelt, um Leistungen des theatralischen Handwerks, wird man seine verdienstliche Arbeit sehr oft mit Gewinn verwerthen können. Seine sinnreiche Dreitheilung der Bühne bewährt sich — wenn auch nicht im Ganzen und überall — so doch in Einzelheiten in überraschender Weise. Wo aber die Bearbeitung die feine poetische Empfindung erfordert, wo sie gar die eigene poetische Nachhülfe, die Hinzudichtung als unentbehrlich für die Bühne heischt, da versagt ihm die Kraft, da ist nahezu alles, was er geschaffen, wieder abzuschaffen.
Sein hohes Verdienst, nach seinen besten Kräften mit redlichem Streben und heißem Bemühn einen bühnenmöglichen Gesammt-„Faust" haben Herstellen zu wollen, wird dadurch in keiner Weise geschmälert.
„Wer immer strebend sich bemüht,
Den können wir erlösen",
wird auch die gerechte Kritik, die bei dem zu Rügenden nicht länger verweilt, als gerade nothwendig ist, ihr Urtheil abschließen.
Auf den ersten schwachen, aber wegen seiner Kühnheit beachtenswertsten Versuch des vr. Wollheim ist nun ein zweiter, viel gelungenerer gefolgt. Vivat 86gueus! Es wird mit der Zeit schon ein wahrhaft bühnenschöner Gesammt- „Faust" herausgearbeitet werden. Und wenn irgend eine, so ist diese Arbeit, um mit Klopstocks vielcitirtem Worte zu schließen, „des Schweißes der Edlen werth".
Nord und Süd- XIV, 42.
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