Heft 
(1878) 05
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Ja, Eucr Majestät,

erwiderte Gerlach,die Wünsche des russischen Kaisers haben das Eigciithümliche, sich in den unteren Regionen zu Stockprügeln zu krystallisircu."

Zugleich stellte sich auch bei uns die eigcnthümliche That- sache heraus, daß ähnlich, wenngleich in geringerem Grade wie in Frankreich unter dem auewn iWZirae, sich auch in Preußen eine neue Staatsidee mit einem entsprechenden Organismus aus­gebildet hatte, welche, nachdem in der Märzbewegung die bis­herige Umhüllung gefallen war, alsbald auf dem Plan erschien, um die Stelle des alten auszufüllen.

Dabei glaube ich gut unterrichtet zu fein, wenn ich der Behauptung Ausdruck gebe, daß es nicht etwa das den Hohen- zollern unbekannte Gefühl der Furcht gewesen, welches den König zu seinen Konzessionen bewogen, und daß ebenso wenig die frühere königliche Anschauung über den Werth geschriebener Verfassungsurkunden eine Wandlung erfahren, daß es vielmehr die eigenthümliche religiöse und kirchliche Auffassung des könig­lichen Herrn war, welche ich nicht besser zu bezeichnen weiß, als wenn ich an die Worte erinnere, welche an den Propheten Samuel gerichtet wurden, als dieser aufgefordert war, den Inden einen König zu geben.

Es war für die nächste Entwickelung von großer Bedeu­tung, daß mit dem Zurückziehen des unbesiegten Militärs vor dem überwundenen und doch siegreich gebliebenen Ausstande zwischen diesen beiden eine tiefe Kluft befestigt wurde, und daß damit sogleich ein fester Wall geschaffen war gegen das weitere Andrängen derjenigen, welche, wie schon augedeutet, den zweiten Akt des revolutionären Dramas in Scene zu setzen versuchten. Man erzählte damals, daß ein Amerikaner, welcher die ruhige wohlgeordnete Haltung der eben noch siegreich vorgedrungenen mit allen Mitteln weiterer Siege ansgestatteten Truppen wäh­rend des Rückzugs betrachtete und zugleich die über alles Maß hinausgehende Frechheit und Gemeinheit ihrer Dränger wahr­nahm, voll Bewunderung über die sittliche Kraft dieses Militärs ausrief:Preußen war bisher ein freies Land!"

Noch im Laufe des 19. März erfolgte die Bildung des neuen Ministeriums, in welchem unter dem Vorsitze des Grafen Arnim, welcher gleichzeitig, wenn auch nur vorläufig, die Ver­waltung des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten und der Verfassungssachen übernahm, dem Grafen Schwerin das Ministerium der geistlichen Angelegenheiten und dem Ge- uerallandschaftsrath von Auerswald das Ministerium des Innern übertragen wurde; die beiden Justizminister, der Graf Stolberg und der Kriegsminister von Rohr aber einstweilen in ihren Aemtern verblieben, die beiden elfteren jedoch nicht lange, in­dem gleich darauf die Ernennung des Herrn Bornemann zum Justizminister erfolgte.

Die nächsten Thatfachen, welche sich an diese Neubildung schlossen, waren: ein Amnestiedekret, Freigebung der Pfänder in den Leihhäusern auf Staatskosten, die Geldsammlungen für die Hinterbliebenen und Verwundeten der Barrikadenkämpfer, gegenseitige Lobhudeleien, Extravaganzen der Presse (Extrablatt der Freude), Freilassung der Märzgefangeuen sowie der ge­fangenen Polen, demonstrativer Zug und Dankadresse derselben und vor allem Schmähung des Namens und Bedrohung selbst der Wohnung des Prinzen von Preußen, welche letztere, wie man damals erzählte, der Sohn des Bischofs Eitert dadurch vor der Zerstörung bewahrte, daß er sie mit der Aufschrift Nationaleigenthum" versah.

Daneben wurden, um die Massen in Aufregung zu er­halten, die verschiedenartigsten Gerüchte in Kurs gesetzt: An­näherung der Russen, Eiurücken der Landwehr und des Land­sturms aus den Provinzen, Zurückberufung der Truppen, Rück­kehr des Prinzen von Preußen, welcher als das Symbol aller Reaktion verrufen wurde und dem damals wohl niemand das Horoskop gestellt hat, daß er noch einmal der populärste und gefeiertste Mann in Europa fein werde.

Die weitere Entwickelung begann in der von mir bereits angedeuteten Antithese. Auf Seiten desliberalen Bürgerthums" das eifrige Bestreben, in der neu erstandenen Macht der Bürger­wehr nicht nur den Schutz für Person und Eigenthum, sondern auch den erforderlichen Rückhalt und die Garantie für die poli­

tischen Errungenschaften zu gewinnen. Auf Seiten desVolkes" und seiner Führer das Bemühen, die Aufregung nicht erkalten zu lassen und durch eine Organisation und revolutionäre Er­ziehung der Massen dem französischen Ideale näher zu kommen. In welcher wahrhaft chaotischen Verwirrung dabei sich alles befand, das zeigt am besten das Programm des konstitutionell gewordenen Kriegsministers, welcher auch seinerseits die durch­greifendsten Reformen in Aussicht stellte. Die Garden sollten aufgelöst, zwischen den Offizieren und Soldaten ein anderes Verhältniß herbeigeführt werden, das Militär aus seiner exklu­siven Haltung gegen das Bürgerthnm heraustreten und vor allen Dingen Volksbewaffnung, Linie und Landwehr in den innigsten Zusammenhang treten.

Am meisten in das Auge fallend war jedoch in jenen Tagen das Auftreten in der deutschen Frage. Die einleitende Ansprache des Grafen Schwerin an die bewaffnete Studenten­schaft in der Aula der Universität, der Umritt durch die Straßen Berlins mit der schwarz-roth-goldenen Fahne und den ent­sprechenden Bändern, die bezüglichen Reden des Königs, deren Kern später dahin veröffentlicht wurde:Es ist keine Usur­pation von mir, wenn ich mich zur Rettung der deutschen Frei­heit und Einheit berufen fühle; ich schwöre zn Gott, daß ich keine Fürsten vom Throne stoßen will, aber Deutschlands Ein­heit und Freiheit will ich schützen; sie muß geschirmt werden durch deutsche Treue, auf den Grundlagen einer aufrichtigen konstitutionellen deutschen Verfassung," der Befehl für die Preußische Armee, neben der preußischen zugleich die deutsche Kokarde anzulegen und die Proklamation vom 21. März, durch welche die Bildung eines deutschen Parlaments, eines deutschen volksthümlichen Bundcsheeres augebahnt und die nothwendigc Haltung Deutschlands nach außen augedeutet werden sollte, sind schon anderweit zur Genüge dargestellt.

Als eine eigenthümliche Illustration dieses Umrittes wurde schon damals die Thatsache aufgesaßt, daß der zu jener Zeit vielgenannteBarrikadenkämpfer", Thierarzt Urban, der übrigens beiläufig bemerkt, der erste war, welcher die Rückkehr des Mili­tärs verlangte und überhaupt der Versöhnung das Wort redete, dicht neben- den Hauptpersonen mit einer gemalten Kaiserkrone marschirte.

Daß die deutsche Proklamation im übrigen Deuschland wenig günstige Ausnahme fand, ist bekannt.Noch liegt die Berliner Schlächterei zu frisch vor uns," so hieß es damals selbst in den gemäßigtsten Organen.Die deutsche Kaiserkrone wird nur von Deutschland verliehen und der König von Preußen eröffnet blos die Schranken des großen Wahlfeldes."

Dagegen wurde in Preußen, selbst von solchen, die mit dem Inhalt und Ton der Reden und Proklamationen nicht einverstanden waren, das Ganze doch als eine geschickte Diver­sion betrachtet, weil dadurch derKonzentration der inneren revolutionären Gelüste eine unerwartete Friktion bereitet", auch die Intentionen des Revolutionärs auf ein Feld geleitet worden feien, welches einem großen Theile, namentlich der Berliner, ein ganz neues Terrain war, für welches sie noch nirgends hinlängliche Uebereinknnft erzielt hatten und sich daher unsicher bewegten.

Namentlich war cs der Professor Leo, welcher diese An­sicht vertrat und dieselbe in einer demnächst von ihm heran-- gegebenen Schrift8iAnatnrn tswpoiüs" ausführlich begründet'.

Meinerseits kann ich mich dieser Auffassung in-der Haupt­sache nur anschließen, wie ich es denn überhaupt heute lebhall bedauere, daß die Partei, welcher ich angehörte, damals sow e später so wenig Verstäudniß für die deutsche Frage, deren Be­deutung und Tragweite an den Tag legte. Dieselbe ist dam.t im Laufe der Entwickelung einem kurzsichtigen preußischen Par- tikularismus und Bureaukratismns anheim gefallen und hct sich damit auf vielen Gebieten selbst um die Früchte ihrer früheren Erfolge gebracht.

Ich bin bescheiden genug, mich von diesem Vorwürfe selbst nicht ganz auszuschließen. Man war eben damals noch zu jung und gewöhnt, das Verhältniß der deutschen Fürsten und ins besondere Preußens und Oesterreichs in der idealen Traditio: der Befreiungskriege aufzufasfen.

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