Heft 
(1878) 05
Seite
80
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Geschichte, weiter ein Heft mit französischen Vokabeln, und um das lodernde Feuer tanzen nun die glücklichen

Sterblichen,

Die die verderblichen,

Schleichenden, erblichen,

Mängel umwanden."

Aber der erste Rausch verfliegt! Der Ernst der Abschiedsstunde drängt für einen Augenblick die tobende Freude zurück. Schon bläst der Postillon ein schmetterndes Lied, die Freunde stehen um den Wagen geschart, die Hände drückend und schüttelnd, und wenn nun die Scheidenden ein letztes Hoch ans die alte Pforte ausbringen, da zittert manche Stimme, da glänzt manches Auge in Thränen.

Die Eisenbahn saust an Pforta vorüber und führt durch das Saalthal täglich eine Unzahl von Fremden, rings um Pforta er­neuert und verjüngt sich der Zeitgeist im Laufe von zehn bis zwanzig Jahren Pforta wird immer dasselbe bleiben! Ein Geschlecht ver­erbt es dem andern, ein Mund erzählt es dein andern, und so wird das Stück Poesie, welches diese altersgrauen Mauern einschließen, ewig jung bleiben, wie der Wald, der sich duftend und erfrischend über der alten Klosterschnle erhebt. ' S,

Die Chinesen in Singapore.

Von Oswald Loh an.

Wie ich bereits in einem früheren Artikel (Nr. 4) bemerkt, bilden die Chinesen den bei weitem größten Theil der Bevölkerung von Singa- pore. Eine Wanderung durch das chinesische Stadtviertel bietet dem Europäer des Interessanten genug. Von früh bis in die späte Nacht hinein herrscht hier ein lebhaftes geschäftiges Treiben. Während die eigentlichen Eingebornen wenig zn schwerer andauernder Arbeit taugen, zeigen die Söhne des himmlischen Reiches, in deren Händen haupt­sächlich der Kleinhandel von Singapore ruht, einen rühmenswertsten unermüdlichen Fleiß und große Emsigkeit bei der Verrichtung ihres oft recht mühsamen Tagewerks.

Wenn den Tag über die sengenden Sonnenstrahlen jedes regere Leben ersticken und die Thätigkeit sich mehr in die Häuser zurückzieht, beginnt das Leben nach Sonnenuntergang einen neuen Aufschwung zu nehmen. Die Straßen beleben sich, und wenn inan des Abends die Geschäftsviertel der Chinesen durchstreift, so wähnt man das bunte Treiben eines heimischen Jahrmarkts vor sich zn haben. Das wogt und drängt in den Gassen und Gängen durcheinander, daß man sich nur mühsam durch das Gewühl hindurchwindet. Die zahllosen, mit rothen und goldenen chinesischen Schriftzeichen und Schildern versehenen Verkanfsläden sind hell erleuchtet und von Käufern belebt. Längs den Straßen sind hölzerne Buden aufgestellt, in denen Gemüse, Früchte aller Art, Kuchen und sonstige Delikatessen zn haben sind. Für die schweren Mühen des Tages entschädigt sich der Chinese des Abends durch allerhand Näschereien. Da kauern sie bei dem flackernde!! Scheine eines offen brennenden Lämpchens auf den zahlreich vorhandenen Bänken vor Porzellannäpfchen, deren für einige Cents erstandenen Inhalt sie mit kleinen dünnen Stäbchen zum Munde befördern

Als einzige Europäer in dem Gewühl dieser Mongolen schlendern wir nngenirt die Buden entlang, nnS die Maaren und Früchte be­trachtend. Die Chinesen begegnen dem Europäer im allgemeinen mit großem Respekt und rechnen es sich znr Ehre, wenn der weiße Mann seine Maaren näherer Betrachtung würdigt, auch wenn er, wie dies fast stets der Fall, nicht als Käufer kommt.

Auf unserer weiteren Wanderung wird unsere Aufmerksamkeit plötzlich durch eine um einen Mittelpunkt gescharte Gruppe angezogen. Wir treten neugierig näher und sehen, wie ein Vorleser oder Erzähler sein andächtig lauschendes Auditorium unterhält. Weiterhin lockt uns eine andere Gruppe: wir haben einen öffentlichen Sänger vor uns, der mit den wunderlichsten Gesten und Gesichtsverzerrungen in raschem, abgehacktem Tempo seine Verse absingt. Wenn nicht der unschön klingende Vortrag, so verdient jedenfalls die Ausdauer der Lunge des Singenden Bewunderung. Der kreischende abstoßende Lärm von Gongs und Tantams, der uns aus einem Hause entgegendringt, sagt uns, daß wir ein chinesisches Theater passirt haben.

Die ärmeren Zopfträger mit den blauen Hosen, den entblößten Oberkörpern, den kahlen Köpfen und den vertrockneten, nichtssagenden Gesichtern machen einen gar zn nüchternen Eindruck. Die mangelnde Reinlichkeit in den Wohnungen, in denen die Chinesen dicht zusammen­gepfercht leben, verbreitet durch das ganze chinesische Viertel einen per­manenten abscheulichen dumpfen Geruch, dem sich noch der Dunst von verwesenden Fischen und verfaultem Obst zugesellt, so daß ein Ver­weilen an einigen Stellen auch dem abgehärtetsten Riechorgan uner­träglich wird.

Bei der billigen Arbeit der Chinesen, die sich durch die fast lächer­liche Bedürfnißlosigkeit derselben erklärt, ist es für den Europäer geradezu eine Unmöglichkeit, sich hier als Handwerker eine Existenz zu erringen. Es kann daher nicht oft genug vor einer Auswanderung nach dem östlichen Asien gewarnt werden, da dieses ausschließlich ein Feld für die Chinesen geworden ist, gegen deren Konkurrenz auch der

fleißigste Europäer nicht aufzukommen vermag. Leider kommt es noch fortwährend vor, daß europäische Gewerbtreibende, von total irrigen Ansichten über das Ausland geleitet, in der Hoffnung nach unserem Platz kommen, hier binnen kurzem zum reichen Manne zu werden. Schon in den ersten Tagen ihres Hierseins wird den Leuten klar, wie bitter sie sich getäuscht haben, und wie unendlich oft hat die wohl- thätige Gesinnung der hiesigen Deutschen solchen Opfern mangelhafter Jnformirung, denen die mitgebrachten kargen Mittel hier nur zu bald entschwanden, mit dem Röthigen anshelfen müssen, um sie nach einem andern Orte, wobei meist auf Australien hingewiesen wird, gelangen zu lassen.

Wollte ich der landschaftlichen Schönheiten, wie sie die Ufer des Eilandes umrahmen, des Reichthnms der Pflanzen, der herrlichen Waldvegetation, der ausgedehnten Palmenhaine und der Thierwelt der Insel emgehend gedenken, so würde ich mich von den: Zwecke dieser Zeile» entfernens die nur einige allgemeine Bemerkungen über das l

daheim wenig oder gar nicht bekannte Singapore, abgesehen von seiner Bedeutung als Welthandelsplatz, geben sollen. Ich will jedoch hier j

die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, eine Vorstellung in Betreff Singapores zn berichtigen, die in Folge unrichtiger oder nicht mehr !

zutreffender Angaben, die sich in Büchern finden, daheim allerwarts >

Wurzel gefaßt hat. Ich habe kein unsere Insel behandelndes Buch ^

in die Hände bekommen, in welchem nicht die große Plage hervor- I

gehoben wurde, welche die Masse der Tiger der Insel bereiten soll.

Noch in einer neueren Ausgabe des Brvckhansschcn Lexikons wird erzählt, ! daß jährlich ca. 300 Menschen von Tigern, die vom Fcstlande herüber schwimmen, zerfleischt werden und der bekannte Aquarellmaler Hilde­brand erzählt in der Beschreibung seiner Reise um die Welt ein artiges, ! Gruseln erregendes Märchen, wie er nur mit knapper Noth hier dem j Rachen eines solchen Raubthieres entgangen ist. In Folge dieser An- I gaben hatte sich auch bei mir vor der Reise die Mnthmaßung festgesetzt, daß man sich nur mit größter Lebensgefahr aus dem Rayon der Stadt würde wagen können. Wie erstaunte ich daher, als keiner der hiesigen r Europäer, mit denen ich über die vermeintliche Tigergefahr sprach, von ( dieser etwas zu sagen wußte. Wohl mögen sich in früheren Jahr- l

zehnten, wo der größte Theil der Insel noch nicht von Menschenfnßen l!

berührt worden, die Tiger in sehr unangenehmer Weise bemerkbar ge- s! macht haben; auch wird zugegeben, daß sich einige von den gefürchteten ) Bestien noch jetzt im Dickicht des Urwaldes verborgen halten mögen, ( doch habe ich, so lange ich hier bin, nie von einem Anfälle auf !! Menschen gehört. , ^

Singapore, 5. September l877. ^

Das Impfen in Spanien. )

Gestatten Sie mir, zn der interessanten Mittheilnng über das ( Impfen bei den Bassntho in Südafrika (Nr. 2 des Daheim), ein Gegen ( stück Ihnen mitzntheilen, welches beweist, daß man nicht überall in europäischen Ländern in dieser Beziehung so weit ist, wie jene Schwarzen.

Ein mir vorliegender Brief aus Estancion de las Minas in Spanien vom 7. Oktober dieses Jahres meldet nämlich folgendes:Seit einigen Monaten richten die Blattern im südöstlichen Spanien arge Ver- >

Heerungen an. Ehe sie Calasparra, ein Städtchen von 1300 Ein

wohnern in der Provinz Murcia, erreichten, zwei Meilen von dem ; Orte entfernt, von dem ich diese Zeilen schreibe, that der dortige Arzt , Don Jnsto Perez alles mögliche, um den Alkalden chen Bürgermeister) ( dazu zn veranlassen, daß die Impfung der Einwohner besohlen würde.

Der Alkalde zögerte indessen, und wenn die Bürger ihn wegen der Impfung befragten, gab er zur Antwort, er sei in der Sache noch unschlüssig. Da brach die Seuche mit aller Macht herein und der Arzt hatte von Haus zn Haus zn taufen. Znm Zeichen, daß ein Blatter­kranker in einer Wohnung sich befinde, setzte man einfach Stühle vor das Thor.

Immer noch aber glaubte man, das Impfen sei schädlich. Ta revaccinirte Don Jnsto sich selbst und die Glieder seiner Familie und sandte letztere mit nackten Armen, an denen die Jmpfwunden sichtbar, durch die Straßen, damit jeder sich von der vorgenvmmeneii Impfung überzeugen könne. Kam ein Leichenzug bei dem Arzte vor­über und es geschah leider nur zu oft dann rief er aus:Da geht schon wieder ein Ungeimpfter zu Grabe!" Trotzdem bekehrte Don Perez nur wenige, das Beispiel des zweifelsüchtigen Alkalden wirkte kräftiger. Die Folge ist nun gewesen,'daß von den 1300 Einwoh­nern Calasparras nicht weniger als 500 an den Blattern erkrankten und 100 in der Zeit vom 1. Juni bis «. Oktober starben. Von den wenigen Leuten, die geimpft waren, starb nicht einer."

Inhalt: Unser Graf. (Fortsetzung.) Eine Erzählung von Theodor Hermann Pantenins. Persönliche Erinnerungen aus den Jahren 1818-1850. II. III. Die Arbeiternnruhen in den Vereinigten Staaten. Von Theodor Kirchhofs in San Franzisko. Verirrt im Busch. Bon Ehr. Stech in Blanwbergen, Südafrika. Am Fami- lientische: Von: Düsseldorfer Malkastenfeste, ll. Zu den Bildern von Max Volkhardt. Alte Bräuche in alten Mauern. Tie Chinesen in Singapore. Von Oswald Lohan. Das Impfen in Spanien.

Herausgeber: vr. Robert Koenig und Theodor Kerruann Rantenius in Leipzig. Für die Redaktion verantwortlich: Htto Klastng in Leipzig. Verlag der Z>ahei«r-Krpeditisn (Meihage» L Ktastng) in Leipzig. Druck von Hl. H. Tenbner in Lripzig.