seine Berthe Hasenperson in Sicherheit zu bringen. „Sie frühstücken noch erst," meinte er zufrieden.
Doch nun kommen sie. Sie haben entschieden sehr gut gefrühstückt, man sieht's ihnen an.
Anjust überlegte eben, ob er sich nicht ganz einfach ducken und im Lager bleiben sollte, aber da sieht er den Professor- gerade auf sich znkommen. „Das wird bedenklich." Mit einem so großen Satze, als ihn seine alten Läufe zulassen, springt er an und geht eilig davon.
„Waidmannsheil!" ruft er seinen sieben Besitzern zu. Der Professor war zwar beinahe auf ihn getreten, hatte ihn aber nicht gesehen. Dennoch sollte dies Aujusts letztes Waidmannsheil gewesen sein. Dem Allzudreisten nahte das verdiente Geschick.
In demselben Augenblicke, da er ansprang, ging ganz nahebei ein Volk Hühner auf und, wenn Hühner aufgingen, erschrak der Professor jedesmal, obgleich er schon seit dreißig Jahren Jäger war. Er erschrak also auch jetzt wieder; und da er den Wassergraben ebenso wenig gesehen, wie Anjust, so stolperte er, strauchelte und fiel, — ein Schuß — sein Gewehr hatte sich entladen, die Schroten fuhren glatt über den Sturzacker hinweg und ein Korn ging dem Bösewicht gerade ins Herz. Er machte nur noch einen Satz, schlug zweimal mit den Vorderläufen und — war verendet.
„Professor, Unglücksmensch!" riefen die anderen sechs Schützen entrüstet. „Sie haben ja Anjust gemordet — was sollen wir nun den Winter über schießen?" „Ich habe es ja gesagt, daß wir ihm kein Schrot in den Lauf geben dürften," meint der Schauspieldirektor außer sich.
Er aber erhob sich gravitätisch und lächelte stolz. Als er abends nach Hanse kam und ins Zimmer seiner Gattin trat, warf er sich trinmphirend in die Brust.
„Liebe Amalie, ich habe heute meinen ersten Hasen geschossen." Seine Frau sah ihn groß an; sie bekam ordentlichen Respekt vor ihm.
Anjust schlummerte sanft und schmorte am nächsten Sonntag vergeblich drei Stunden lang in der Bratpfanne der Fran Professorin — er war nicht mehr weich zu bekommen. Sein Schicksal aber hatte ihn nur vor einem noch härteren Loose bewahrt.
Nach wenigen Tagen brauste statt der friedfertigen Sieben die wilde Jagd über das Feld dahin. Sein schlimmer Vetter- Reineke voran, hinterdrein die Meute, der Huntsman, der Whist. Dann kommt der Master und das Feld, an zwanzig Reiter in Roth, und über die Fluren schallt das Geläut der Hunde, und das „Talliho!" der Jäger. Wie die Windsbraut rast alles dahin über Stock und Stein.
Reineke ist ein schlauer Patron. Er kennt Aujusts Wassergraben genau und führt die Jagd dorthin — „brecht Euch das Genick nur, mir kann's schon recht fein." Mit der Ruhe wär's hier nun doch aus gewesen, und Anjust Hütte sein Leben nach schmählicher Flucht unter den Fängen eines ungehorsamen Hundes gelassen.
Als Reineke seinen Zufluchtsort erreicht hatte, drückte er sich schnell und schlug einen Haken. Er lief den Graben auf der Sohle entlang, und die Meute ging wirklich darüber hinweg. Das Feld kommt heran. Einige stürzen, die anderen blicken sich kaum nach ihnen um — wie bei der Attaque in der Schlacht. Die Hunde haben die Spur verloren, sie zerstreuen sich. Der Schlauberger denkt, er sei frei und springt aus dem Versteck, im scharfen Lauf gerade auf einen kleinen Hügel mit Wachholderstrauch los. Dort kennt er einen alten verlassenen Bau, der ihn retten soll. „Waidmannsheil!" kichert er vor sich hin.
Aber der laute Zuruf des Huntsman nimmt schon die Hunde von der falschen Fährte ab und setzt sie frisch Wiederau, unaufhaltsam geht die Jagd weiter. Reineke hatte sich zu viel Zeit gelassen. Er meinte das sichere Asyl schon zu nahe. Jetzt hat er's erreicht — doch jäher Schrecken fährt lähmend in seine Glieder — der Listige ist überlistet. Die Jäger haben Sorge getragen, alle alten Röhren in der Runde sorgfältig mit Reisig zu verstopfen. Er ist exmittirt! — Nun kann ihn nur Schnelligkeit retten. Stundenlang, meilenweit geht die
Jagd; nur wenige Reiter halten noch mit — fort über Hecken und Zäune, Berge hinauf, Gründe hinab. Endlich ist Reineke Hallali gemacht — die heiße Arbeit ist gethan. Der erste von den Jägern steckt trinmphirend seine Ruthe an den Hut.
Am Abendhimmel steht schon der Mond, eine schmale kaum sichtbare Sichel — aber der Mann im Mond, der alles mit angesehen, verzerrt sein Gesicht zu hämischem Vergnügen. ! Er schüttelte bedenklich den Kopf, als er Hunde und Reiter auf Tod und Leben dahinstürzen sah, und das alles um einen einzigen Fuchs. Er glaubte sicherlich, die wilde Jagd führe direkt ins Tollhans. Uns andern Sterblichen geht es ähnlich.
Der Sportman aber schaut dafür auch mit erhaben mitleidigem Achselzucken auf uns und unseren Unverstand herab, der nicht begreift, daß es ans Erden nichts Schöneres, Menschenwürdigeres gibt, als hinter dem Fuchse zu reiten.
„Hinter dem Fuchse bildet sich der Mensch!" — so begann der märkische Fuchshatzverein seinen ersten ewig denkwürdigen Aufruf an alle Gentlemen in der Umgegend von Berlin.
Weder die Hetze, noch gar die entsetzlichen Treibjagden, zu denen die Städter eingeladen werden, und wo das Wild nur Zugscheibe ist, sind aber nach des echten.Waidmannes Sinn. Dem Jäger vom echten Schrot und Korn, nicht dem Akademiker, der da meint, es sei für die Jagd genug gethan, wenn er den grünen Jagdflausch trägt und sich eine gekaufte Auerhahnfeder an den Tyroler steckt, sonst aber nur für Forst- kultnr schwärmt, -- ist das Leben mit der Natur und ihren Geschöpfen die Hauptsache. Nicht das Tobten des Wildes, wohl aber, es zu überlisten, an Ausdauer zu übertreffen, seine Wege, feine Gewohnheiten, die Triebe, nach denen es handelt, zu erforschen, nur zu schießen, was er mit untrüglicher Sicherheit so treffen kann, daß es unter dem Feuer bleibt, ist des echten Jägers Freude und Stolz.
Er sieht, wenn er morgens zur Pürsche geht, die Fluren erwachen, des abends aus dem Anstand sie zur Rüste gehen.
Wo der Unkundige nichts erblickt als den Wald und die Felder, lebt und regt sich für ihn alles. Auf der Wiese begegnet ihm ein verspäteter Fuchs, der vom nächtlichen Ranb- zng heimkehrt. Es ist eine Füchsin, die schwerbeladen die Morgenatzung für ihre Jungen mitbringt. Ihre Tage sind gezählt; denn der Jäger kennt genau alle Fluchtröhren ihres Hauptbaues, nicht minder die nahegelegenen Nothbaue. Ersieht den Finken in seinen! kunstvoll gebauten Nest, das Hühnerfalkenpaar um das seine herumscherzen, er hört die Lockrufe auf allen Seiten, entdeckt jede frische Spur und, da er die Standorte jedes Stück Wildes in seinem Forst genau festgestellt hat, kann er kontrolliren, ob alles in Ordnung ist, ein jedes ist ihm „persönlich" bekannt. Doch so muß cs auch sein, wo der Wildstand gedeihen und die Jagd erfreulich sein soll. —
Wie er des Morgens die Heimkehr beobachtet, so abends den Aufbruch. — Still wird's im Walde; der Vogelschlag ist verstummt, nur des Uhus eintöniger Ruf läßt sich noch hören, oder der jämmerliche Ton eines armen Huhns, das Klagen eines Jung Hasen, den der Fuchs ergriffen. Die l etzten Sonnenstrahlen blinken vom Horizont aus zwischen den Stämmen hindurch, die Nebel quellen schon ans den Wiesen empor und lagern sich darüber wie der Spiegel eines weiten Sees. Still wie der Stamm der Fichte neben ihm steht der Jäger da. Zwei Schritte entfernt könnte man seine Gestalt für einen knorrigen Stumpf halten, der mit den: Holz daneben verwachsen ist. Lange wartet er, vollkommen regungslos; erwägt kaum zu athmen. Schon droht das Büchsenlicht auszugehen; da endlich läßt sich ein ganz leises vorsichtiges Brechen hören, und aus dem Waldrande in die Dämmerung hinaus tritt der starke Bock, dem es heute gilt. Hier vorüber geht sein Wechsel. Erst steht er still, sichert behutsam nach allen Seiten, dann folgen acht oder zehn blitzschnelle leichte Schritte, zwei kurze Sätze; jetzt hebt er den Kopf, sichert abermals. Am Wald erscheinen hinter ihn: die begleitenden Thiere. Nun macht der Bock wieder eine kurze Strecke — jetzt stellt er sich gut zu Schuß. Unser Jäger hat seine eigene Art. Ihm stehen Hirsche und Rehböcke aufs Com- mando. Mit einem langgedehnten „Halt" ruft er sie an. Einen Augenblick hebt sich das Wild, versteinert wie eine Statue.