gegen die Wunder des „18. März", und daß an diesem Tage „die Bewohner Berlins das Größte übertroffen, was die Geschichte aller Zeiten und Völker an Großthaten" überliefert, (man sieht, wie recht der alte Encke hatte!); man gefiel sich dabei auch in der Auffassung, daß die Gewährungen des Königs keine „octroyirte Charte mehr seien, sondern eine durch kostbares Heldenblut besiegelte Schrift".
Anstatt sich deshalb mit den realen Zuständen und Bedürfnissen des Landes, mit der Noth und den Wünschen der großen Masse der Bevölkerung, mit Hebung von Handel und Gewerbe, Handwerk und Industrie und dergleichen kleinen reellen Dingen zu beschäftigen, trieben die konstitutionellen und demokratischen Doktrinäre die Berathung der Verfassungsurkunde niit einem Fanatismus, der nur um deshalb damals nicht komisch wirkte, weil man es, um mit Shakespeare zu reden, „noch mit einer ernsthaften Bestie zu thun hatte".
Der größte Fehler dabei war natürlich der, daß. auch die Regierung diese Diskussionen ernsthaft nahm und darüber auch ihrerseits versäumte, mit ihrer Aktion dort einzusetzen, wo wirkliche Popularität zu finden war. Es wurde von beiden Theilen fast gleichmäßig als ein epochemachendes Ereigniß betrachtet, wenn es dem einen oder dem andern Theile im Schweiße seines Angesichts gelungen war, in den einen oder andern Artikel der Verfassungsurkunde ein mehr oder minder scharfes oder unbestimmtes Wort hineinznbringen.
Mit diesen Berathnngen gingen die kleinen Amendements aus der Straße Hand in Hand. War man auf der einen Seite zu kurzsichtig und egoistisch, NM mit Offenheit auf eine Diskussion auch der unbequemen Fragen einzugehen, so war man auf der andern doch zu furchtsam, um den arbeitenden Klassen und deren Führern entschieden entgegenzutreten.
„Friedliche Lösung der Arbeiterfrage", das war schon damals die Formel, welche dem ängstlichen Bürger zur Beruhigung, dem unruhigen Arbeiter zum Tröste dargereicht wurde, doch war das Beispiel von Paris noch zu verführerisch, als daß nicht auch die Berliner Arbeiter reellere Proben des Wohlwollens verlangt hätten. Brot- und Brotmarkenvertheilnng, Staats- und städtische Bauten und sonstige Arbeiten waren das zunächst liegende Auskunstsmittel; doch schlug man auch schon damals den Ton an, durch die „Kraft des moralischen Einflusses" für die Verbesserung des sittlichen und wirthschaftlichen Zustandes der arbeitenden Klassen zu wirken. Die Frucht dieses Bestrebens war: die endliche staatliche Genehmigung des bereits im Jahre 1844 zusammen getretenen „Centralvereins für das Wohl der arbeitenden Klassen"; das mehrfache Bemühen, das Wahlrecht, und zwar das kommunale ebenso wie das staatliche, im Interesse der Arbeiter, „welche vorzugsweise hinter den Barrikaden gestanden und gekämpft", zu verbessern und auszudehnen; die Bildung eines „Volksvereins", welcher besonders den markigen Kern des Volkes in sich begreifen sollte und die Berufung einer „städtischen Deputation zur Berathung über das Wohl der arbeitenden Klassen", welche indes sämmtlich dem eigentlichen Kern der Frage fern blieben und deren Wirksamkeit daher, nachdem sie eine Zeitlang die Begehrlichkeit der Massen gesteigert, sich schließlich in dem revolutionären Sande verlief.
Nicht ohne Interesse dürfte es dabei sein, an die Grundsätze jenes „Volksvereins" zu erinnern, welche dahin ausgesprochen wurden: „1. Wahrhafte Volksbewaffnung, als Gegengewicht gegen die Gewaltherrschaft der Bürgerpolizei und des Militärs. 2. Wahrhafte Volksvertretung, als Gegengewicht gegen den falsch verstandenen Patriotismus der Beamtenwillkür und gegen die einsüchtige Königsliebe der sogenannten Aristokratie. 3. Wahrhafte politische und sittliche Volksbildung, als Gegengewicht gegen die gesinnungslose Ver- und Ueberbildung der mittleren und höheren Stände. Das Volk soll zum Bewußtsein kommen über seine Pflichten und vor allem über seine Rechte."
Wie schon bemerkt, ist es nicht meine Absicht, in das Detail der Berathungen und Beschlüsse der preußischen Nationalversammlung einzutreten. Mögen dieselben immerhin von hohem psychologischen Interesse sein, die historische Bedeutung derselben bleibt jedenfalls eine sehr mäßige, da sie demnächst mit ihren
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Urhebern wie ein Schattenspiel an der Wand verschwanden. Von bleibendem historischen Interesse ist vielmehr die nebenher gehende Entwickelung nach rechts und nach links, da in dieser sich die realen Mächte des Landes zum Austrag des Konfliktes konsolidirten.
Nach einem geistreichen Aussprache von Alexander Dumas gibt es von Zeit zu Zeit Thronbeben, wie es Erdbeben gibt, und zwar haben diese Thronbeben dieselbe Eigenthümlichkeit, sich nach der politischen Kraterlinie zu erstrecken, so daß alle Throne, die einen gewissen unterirdischen Zündstoff gemeinsam haben, in einer den großen Haufen überraschenden Weise gleichmäßig erzittern. Man Pflegt zur Erklärung dieses Phänomens gewöhnlich auf die Hypothese einer geheimen weitverbreiteten Verschwörung zu rekurriren, und doch pflegt diese Verschwörung gemeinhin in nichts anderem zu bestehen, als in der Gemeinsamkeit der Ursachen, welche überall dieselben Wirkungen Hervorbringen und an allen Orten nur einer kleinen Nachhilfe bedürfen, um Erschütterungen hervorzubringen, welche, um so betäubender wirken, je weniger man bei der scheinbaren Festigkeit der politischen Oberfläche darauf vorbereitet war.
Nach der eigenthümlichen politischen Erziehung und Gewöhnung des preußischen Volkes: nichts ohne den König und alles für den König zu thun, konnte von einer wirksamen Agitation nach rechts nicht früher die Rede sein, als bis die Schwingungen des Thrones aufgehört und die betreffenden Kreise die Ueberzeugung gewonnen hatten, sich bei ihrem Thun und Streben im Einverständniß mit der Krone zu bewegen. Gleichzeitig aber hatte diese Voraussetzung auch nach anderen Seiten die Wirkung, daß die in der Neubildung begriffene Partei der jungen Rechten alsbald von ihren Gegnern den ehrenden Beinamen „der kleinen, aber mächtigen Partei" erhielt. Wer, wie ich, mit an der Wiege dieser Partei gestanden, der weiß, daß dieselbe jenen Beinamen keineswegs der selbsteigenen Kraft und Bedeutung, sondern vielmehr der Macht der Krone und der Annahme verdankte, daß zwischen dem Könige und ihr ein vollkommenes Einverständniß herrsche, eine Annahme, die nicht einmal überall in dem Maße zutraf. Das Wachsthnm und Erstarken der jungen Rechten ist deshalb auch mit der Wiederaufrichtung des Königthums identisch und durch dasselbe bedingt, und ich möchte daher die erste Epoche als das Widerspicgeln der wachsenden Klarheit des Königthums in den royalistischen Elementen des Landes bezeichnen.
Daß man dabei sich noch oft in den Mitteln und Wegen vergriff, ist leider unleugbar, und es kann insbesondere die Geschichte der wechselnden Ministerien bis zum November des Jahres 1848 kaum anders bezeichnet werden wie als ein politisches Kaleidoskop, wo die wechselnden Bilder über die Identität der wesentlichen Faktoren doch nur unvollkommen zu täuschen vermochten.
Daß übrigens diese wechselnden Ministerien nicht die eigentlichen und vertrauten Rathgeber der Krone waren, wird kaum einer näheren Darlegung bedürfen. Es bedurfte keines besonderen scharfen Blickes, um zu erkennen, mit welcher Schnelligkeit sich diese sogenannten Staatsmänner abnutzten und wo sie schließlich nothwendig anlangen mußten, und es war nur zu bedauern, daß man in den ministeriellen Hexenkessel von Zeit zu Zeit Persönlichkeiten hineinwarf, welche, zu schwach die Bewegung zu hemmen, durch ihren Namen zum vorübergehenden Aufputz derselben dienten.
Nichtsdestoweniger möchte ich meinerseits den Rathgebern der Krone keinen Vorwurf daraus machen, daß sie das königliche „tzuos 6Ao" nicht übereilten, denn nicht allein daß es der politischen Vorsicht entsprach, die Sympathien wenigstens eines Theils der Nationalversammlung zu gewinnen und zu bewahren: es war auch ein Gebot der Klugheit, der politischen Ernüchterung, auf allen Seiten Zeit und Raum zu gewähren und sich vor allen Dingen einen festen Punkt zu schaffen, wo man nötigenfalls den Hebel anzusetzen vermochte.
Es war die Frucht dieser Vorsicht, daß die Versuche neuer Erneuten, wie beispielsweise in Köln und Trier, einen komischen Charakter annahmen, indem, wie Rüge dies damals drastisch