Heft 
(1878) 20
Seite
315
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chor versteckt hatte:Seht, nun fährt er in die Hölle." Alles entsetzte sich; nur der, an den sie die Worte gerichtet hatte, lächelte. Er war übrigens ein ausgezeichneter Soldat, das hielt ihn.

Als er nach dem Basler Frieden, der ihn wurmte, seinen Abschied nahm, zog er aus dem Havellande ins Oderbrnch und kaufte sich in der Nähe von Schloß Guse an. Die Groß- Qnirlsdorfer hatten sich wenig über ihn zu beklagen. Er setzte zwar das alte Leben fort; aber die Oderbrücher, selber nicht difftcil, legten ihm durch Mißbilligung keinen Zwang auf. Sein Ge­schmack wurde immer wunderlicher. Starb wer Junges im Dorf, Bursch oder Mädchen, so ließ er ein großes Begräbniß anrichten, vorausgesetzt, daß die Leidtragenden ihre Zustim­mung gaben, die Leiche zu schminken und in einem mit vielen Lichtern geschmückten Flur anfzubahren. Dann stellte er sich zu Füßen, rauchte ans einem Meerschaumkopf und sah, halb- zugekniffenen Auges, die Leiche eine halbe Stunde lang an. Was dabei durch seine Seele ging, wußte niemand. Er galt für einen Tückebold, auch noch für Schlimmeres; indessen er war General, märkisch und soldatisch vom Wirbel bis zur Zeh, und von einem humoristisch verwegenen Muth. Erst vor drei Jahren hatte sein letztes Rencontre stattgefunden. Die Ver­anlassung war ganz in seiner Art. Eine Scheune auf einem Nachbargute brannte nieder; Bamme, der den Besitzer nicht leiden konnte, sagte bei offener Tafel:Hochversicherte Scheunen brennen immer ab." Er sollte zurücknehmen. Statt dessen maß er seinen Gegner und krähte nur:Jede Feuer-Assekuranz sagt dasselbe." Nun kam es zum Duell; Hauptmann von Nutze sekundirte. Der Beleidigte schoß Bammen den rechten Ohr­zipfel sammt dem kleinen goldenen Ohrring weg, den erRheu­matismus halber" trug. Er ließ sich nun einen neuen Ring durch die stehengebliebene Ohrhälfte ziehen, und sah seitdem scurriler aus denn je.

Eine gewisse Schelmerei, wie zugestanden werden muß, söhnte manchen seiner Gegner mit ihm aus; dazu kam, daß er sich gab wie er war, und sein eigenes Leben rückhaltlos in den pikantesten Anekdoten ausdeckte. Seine geistigen Bedürf­nisse bestanden in necken, spotten und mystifiziren, weshalb er, wie kein zweiter, von allen Sammlern und Alterthnmsforschern in Barnim und Lebns gefürchtet war. Um seine Tücke besser üben zu können, war er Mitglied der Gesellschaft für Alter­thumskunde geworden. Feuersteinwaffen, bronzene Götzenbilder und verräucherte Topsscherben ließ er anssetzen und verstecken, wie man Ostereier versteckt, und war über die Maßen froh, wenn nun diegroßen Kinder" zu suchen und die Perioden zu bestimmen anfingen. Turgany, wie sich denken läßt, zog den möglichsten Nutzen aus diesen Mystifikationen, und jedes­mal, wenn Seidentops etwas Urgermanisches aufgefunden haben lind zum letzten Streiche gegen den zurückgedrängten Jnstiz- rath ansholen wollte, pflegte dieser wie von ungefähr hinzu- werfen:wenn nur nicht etwa Bamme . . ein Satz, der nie beendet wurde, weil schon die Einleitung desselben zur voll­ständigen Verwirrung des Gegners ausreichte.

Alles in allem war derGeneral' eine Lieblingsfigur aus Schloß Guse, auch der Hecht im Karpfenteich. Die Gefahren und Unbequemlichkeiten, die sich daraus ergaben, wurden durch das frische Leben, das er brachte, wieder ausgewogen. Es kam nicht in Betracht, daß er über Sittlichkeit seine eigenen An­sichten hatte. Man ließ dies gehen. Die Gräfin schlug jede Kritik darüber mit der Bemerkung nieder:l'immoi'nlitv oavoi'ts, o'68t tu Louis Ag-rantiö oonti'L l'll/pooriRo."

Nur den Vitzewitzes, alt und jung, war mit solcher Be­merkung nicht beizukommen; sie verharrten, bei äußerlich leid­licher Stellung zu dem alten Schabernack, in ihrer Abneigung gegen ihn, und Berndt pflegte zu sagen:Bamme und Hoppen- marieken, das hätt' ein Paar gegeben!"

Neben Bamme, zugleich als sein natürlicher Gegensatz, stand Baron Pehlemann, die vierte Figur der Gnser Kreises. Was Bamme an Muth zu viel hatte, hatte Pehlemann zu wenig. Daß er der Gräfin dadurch ein kaum geringeres In­teresse einslößte, als durch sein encouragirtes Widerspiel, braucht nicht erst versichert zu werden, aber auch der Kreis selbst war

weit entfernt davon, dies Maneo an.Herzhaftigkeit ernstlich zu beanstanden. Ain wenigsten die Militärs. Es läßt sich ähn­liches auch heute noch beobachten. Alte Stubenhocker dringen beständig ansOpfertod"; alte geschulte Soldaten aber, die aus fünfzig Schlachten her wissen, einerseits welch ein eigen und unsicher Ding der Muth ist, andererseits welche niedrige Organisation, welch bloßer wer weiß woher genommener Taumel- znstand ausreicht, um ein Heldenstück gewöhnlichen Schlages zu verrichten, alle diese denken sehr ruhig über Bravourange­legenheiten und haben in der Regel längst aufgehört, alles was dahin gehört, in einem besonderen Glorienschein zu sehen. So kam es, daß Bamme und Pehlemann die besten Freunde waren. Natürlich fehlte es nicht an Hänseleien. Erst einige Wochen vor Beginn unserer Erzählung, hatte Pehlemann, der mitunter ein ihn plötzlich überkommendes Zutrauen zu sich selbst faßte, die Versicherung abgegeben:seine Abneigung gegen Schußwaffen beruhe lediglich ans einer allzufeinen Organisation seines Ohres", worauf von Seiten Bammes mit so viel Ernst wie möglich erwidert worden war:Gewiß, dergleichen kommt vor; so lassen Sie uns, wie alte Korpsburschen, einen Gang auf krumme Säbel machen; das ist ein stilles Geschäft; Ihr Ohr bleibt nnbelästigt. Höchstens hau' ich es Ihnen ab." Solches Schrauben und Aufziehen war an der Tagesordnung, störte aber keinen Augenblick das gute Einvernehmen, da der Wuschenvierer Baron", wie er in der ganzen Umgegend hieß, bei aller sonstigen Grundverschiedenheit von Bamme, wenigstens eine gute Seite mit ihm gemein hatte: er war nicht empfind­lich. Auch nicht als Dichter, wozu ihn, seinem eigenen Ge­ständnisse nach, das Podagra gemacht hatte. Er wollte näm­lich beobachtet haben, daß das Podagra seiner Muse jedesmal weiche, eine vertrauliche Mittheilung, die seitens des Gnser Kreises zu folgendem Verse benutzt worden war:

6ocko rllajoi'i.

Als des Barones Podagra Nun seine Muse kommen sah,

Erschrak es sehr und sagte:ach,

Daneben bin ich doch zu schwach,"

Und packte schnell das Zwickzeug ein Und ließ die beiden ganz allein.

Es hieß angeblich, Bamme habe diesen Vers gemacht; in Wahrheit wußte jeder, daß er von Dr. Faülstich herrühre, der immer bereit war, seine kleinen Piratenboote unter frem­der Flagge segeln zu lassen.

Der fünfte des Kreises war der Kammerherr von Mede- witz auf Alt-Medewitz, ein langweiliger, pedantischer Herr, sehr durchdrungen von der Bedeutung der Medewitze, trotzdem die Blätter der vaterländischen Geschichte den Namen derselben nirgends aufzeichneten. Seine Spezialität waren Erfindungen, in Betreff deren er, nach Art der Philosophen, nichts Großes und Kleines kannte. Er hatte für alles die gleiche Liebe. Sparheizung, luftdichter Fensterverschlnß, Zerstörung des Mauer­salpeters in Schaf- und Pferdeställen, künstliche Morchelzucht, das waren einige der Fragen, die seinen beständig aus Lösungen und Verbesserungen gerichteten Geist beschäftigten. Den Militär­behörden war er wohl bekannt durch seine mehrfach eingereich­ten Abhandlungen über erleichtertes Gepäcktragen und praktische Mantelrollung. Immer mit beigesügter Zeichnung. Sein eigentliches Steckenpferd aber waren die Dosen. Er war ein Sammler, und man durfte füglich sagen, was Seidentopf für die Urnen war, das war von Medewitz für die Tabatiören und alles ihnen Anverwandte. In Bezug ans die friederizia- nische Zeit war seine Sammlung so gut wie komplett. Von der Mollwitzdose an, ans der der junge König am Gatterthor von Ohlan mit Flintenschüssen empfangen wurde, bis zur Hubertsbnrgdose, auf der ein Kurier mit einem wehenden Tuche, und dem WorteFriede" darauf, durch die Welt flog, hatte er sie alle, einzelne sogar doppelt.

So weit war alles gut. Er begnügte sich aber nicht mit derstillen Dose", er war vor allem auch ein leidenschaftlicher Verehrer jener damals auf der Höhe ihres Ruhmes stehenden, in Gold und Schildpatt ausgeführten Miniaturleierkästen, die unter dem Namen der Spieldosen ihre Reise um die Welt gemacht haben. Solche mit Musik geladene Ueberfallwerkzeuge