Kutscher hatten den Lichtschein bemerkt, und wir glaubten im ersten Schrecken nichts anderes, als daß es in der Rathsstube brenne und die Rathsarchive in Brand gerathen seien. Unter energischer Anwendung der Peitsche ging es in fliegender Eile nach der Unglücksstätte zu, und es hätte nicht viel gefehlt, daß wir Feuerlärm gemacht hätten. Allein nachdem wir etwa zweihundert Schritte zurückgelegt hatten, bemerkten wir zu unserer Beruhigung, daß derselbe in ganz anderer Richtung an den Fenstern eines Gasthofes erglühte. Die Ursache war bald gefunden. Während alle Hausbewohner der Stadt die Ruhe gesucht und die Lichter ausgelöscht hatten, brannte noch eine einzelne Petroleumlampe, deren Flamme diese beunruhigenden Reflexerscheinungen hervorgezaubert hatte. Wie oft ist durch solche Lichtreflexe falscher Fenerlärm gemacht und die nächtliche Ruhe ! gestört worden!
j Wenn ich jetzt einige Fälle von den Eindrücken des
! reflektirten Lichts erwähnt habe, so haben andere nächtliche Lichterscheinungen, die vom Volke falsch beobachtet wurden, zu ! dem traurigsten Teufels- und Hexenglauben Veranlassung gegeben. Eine Sternschnuppe oder ein Meteor, das in einer Entfernung von Hunderten von Meilen zu Boden fiel, jedoch für den abergläubischen Beobachter scheinbar über dem Schlot eines Nachbarhauses verschwand, war der leibhaftige Teufel, der seiner Buhlin einen nächtlichen Besuch durch den Schornstein abstattete.
Viele Leute aus den niederen Volksschichten können noch j ganz genau den „feurigen Drachen" beschreiben, mit einem roth - glühenden Kopf groß wie eine Tonne, und einem Feuerschweife, lang wie ein Henbaum. Bekanntlich hinterläßt derselbe, wenn er den zwar halsbrechenden aber allein beliebten Weg durch den Schornstein nimmt, einen Feuerschein über demselben, der genau so lange anhält, als sein Besuch währt, und erst verschwindet, wenn er sich durch den Schlot empfohlen hat. Diesen Feuerschein kann man, wie vor Jahrhunderten, auch noch in ^ unseren: angeblich höchst aufgeklärten Jahrhundert beobachten. Aber erst wenn Feuer auf dem Herd brennt und eine Rauchsäule durch den Schlot emporsteigt. Dann bleiben alte und junge Klatschschwestern an bestimmten Stellen stehen, machen sich ! mit verstörten Mienen auf den bedeutsamen verdächtigen Ab- i glanz des Höllenfürsten aufmerksam, und zischeln sich aber- > gläubische und boshafte Dinge in die Ohren, zumal wenn der Feuerschein aus einem Schlot herauszudringen scheint, dessen schuldlose Besitzerin, oder deren weibliche Vorfahren unter dem abscheulichen Verdacht des Umgangs mit Höllengeistern standen.
^ Das Experiment, dem Rauche eines Schornsteins einen feurigen ^ Schein zu geben, ist leicht ausznführen. Man braucht nur aus l einen in dunkler Nacht rauchenden Schlot in angemessener Ent- ! sernung und von dem richtig gewählten Standpunkt aus, das ! Licht einer Kerzen- oder Petrolenmsflamme fallen zu lassen, und von: entsprechenden Standpunkt aus die Rauchsäule zu beobachten, so wird man den Rauch in röthlichem Schimmer auf schwarzen: Hintergrund erblicken.
Aus den: Lande kommt es ja häufig vor, daß in Bauern- ! Häusern spät an Herbst- und Winterabenden noch ein Reisig- ! feuer auf offenem Herd zur Bereitung eines frugalen Mahles !! angezündet wird, oder auch in kleinen Gasthäusern, wo der ver- spätste und hungrige Wanderer noch etwas für den bellenden ^ Magen verlangt. Da geht es denn bei den: ohnehin selten
! trockenen Reisig nicht ohne Rauch ab. Zufällig steht ein Licht
! auf des Nachbarn Tisch, oder es hängt eine brennende Lampe
! über demselben, die- ihre Strahlen auf die aufsteigende Rauch
säule wirft. Der röthliche Schein wird bemerkt, auffällig ge- ! funden, und wenn sich diese Erscheinung öfters wiederholt, da
! ja der Schlot noch öfters abends raucht und der Tisch in:
! Nachbarhause, auf welchem das Licht brennt, oder die Lampe den Ort, wo sie hängt, nicht verändert, so geht das nicht mit rechten Dingen zu, und in kurzer Zeit munkelt der ganze Ort von den unheimlichen Besuchen des Bösen.
Andere nächtliche Lichterscheinungen, wie geisterhaft wandelnde Laternen, Irrlichter, Ungeheuer mit feuersprühenden Augen finden oft eine lächerlich prosaische, oder komische Lösung. Die Orte, wo Laternen von unsichtbaren Trägern oder von
einer Geisterhand ohne allen übrigen Zubehör getragen werden und zu gewissen Stunden der Nacht- und Jahreszeiten eine und dieselbe Bahn in der betreffenden Flur wandeln, sind nicht allzu selten.
Ein mir bekannter Flnrweg war in dieser Beziehung verrufen. Zufällig mußte ich denselben einmal in später Nacht in Bernfsgeschäften gehen. Richtig, da kam mir die Laterne langsam auf dem schmalen Fußpfade entgegen. Sollte ich umkehren? Nein, das wäre schwach gewesen. Also muthig darauf los. Das Licht rückte näher. Endlich höre ich Fußtritte, und da bekanntlich Geister mit unhörbaren Tritten durch die Welt kommen, so war ich vollkommen beruhigt. Eine hüstelnde alte Frau trat an mich heran und begrüßte mich. Es war eine arme Hökerin, die von ihren Butter-, Eier-und Käseeinkänfen spät in der Nacht von: Lande nach Hause ging. Ans meine Frage, ob sie immer in so später Nacht heimkehre, erhielt ich eine bejahende Antwort, und auf weiteres Fragen, daß sie sich regelmäßig in dem der Stadt nächsten Dorfe eine Laterne borge, weil ihre Augen blöde würden, daß sie aber mehrere Male in der Woche immer dieselben Dörfer besuche und denselben Weg gehe. Nach ihren: Tode verschwand die wandelnde Laterne.
Und so ließen sich noch viele Ursachen anführen, die zu den: Aberglauben an wandelnde Laternen Veranlassung gaben. Leute, die in der Mitternacht mit Laternen in Angst und Verzweiflung Hilfe suchten, um z. B. den Arzt, den Thierarzt, die Hebamme re. zu holen, oder die nahe Angehörige in ihren letzten Stündlein besuchen und dabei oft querfeldein und in direkter Richtung ihren Weg nahmen, Schäfer, die mit Laternen in dunkler Nacht die Schäferhütte auf den: Felde aufsuchten, Leute, die unter dem schützenden Mantel der Nacht Garten- und Felddiebstählen nachgingen, oder Nachts die heimlich gestellten Reh-, Hasen- und Rebhühnerschlingen revidirten, solche, die Nachts verbotener Weise den: edlen Waidwerk des Krebsfanges oblagen, oder die heimlich gelegten Fischreusen und Angeln zogen, — alle diese sind häufig die Ursache falscher Vorstellungen gewesen.
Und namentlich solche, die nachts auf unredlichen Wegen wandelten, hatten auch das größte Interesse daran, den Aberglauben nach Kräften zu fördern, weil sie unter dem Deckmantel desselben sicher waren. Während nun diese unter den Spukgestalten von feurigen Männern „arbeiteten", flüchteten sich Fisch- und Krebsdiebe am liebsten hinter den Schild des Irrlichts, dieses umheimlichen Gastes, der die Menschen in Sümpfe und Moräste verlockt, wo sie langsam versinken und elend ersticken. Sie hatten ganz dasselbe Interesse, ihre Erwerbs- und Bezugsquelle zu verheimlichen und der Konkurrenz vorzubeugen, wie die alten Phönizier, die ihre gewinnreichsten See- und Handelsfahrten mit einem Lügengewebe grauenhafter und abschreckender Schilderungen umgaben.
Der Fälle, wo durch nächtliche Lichterscheinungen Menschen getäuscht und erschreckt wurden, gibt es unzählige, ich beschränke mich jedoch auf die gegebenen und auffälligsten. Hinter allen unerklärlichen Erscheinungen aber steckt allemal eine einfache natürliche Ursache und hinter den Schrecken erregenden Eindrücken ein Fehler der Beobachtung oder die Furcht des Aberglaubens Wie leicht man selbst bei normalen: Sehvermögen in jenen verfallen kann, lehrt die tägliche Erfahrung.
Es ist bekannt, daß, die Umrisse der Körperformen, wenn sie aus dichtem Nebel heraustreten, dem menschlichen Auge stark vergrößert erscheinen. Ein sonst ganz beherzter Mann ging in einer neblichen Spätsommernacht heim. Mitten in: Wald kommt ihm auf bergansteigender Chaussee ein Bär entgegen. Der Schrecken lähmt die Glieder des Wanderers. Die Flucht zu ergreifen war zu spät. Das Ungeheuer hat sich schon ans einige Schritte genähert. Da kauert sich der Mann in den: durchbohrenden Gefühl seiner Hilflosigkeit zusammen, und stößt mit ausgestreckten Armen und vorgehaltenem Stock den Jndianer- ruf: „Hugh!" aus. Und alsbald schlägt sich schweigend ein biederer Dachs, denn das war das Unthier, seitwärts in die Büsche.
Wer viel im Freien verkehrt hat, weiß, welche bizarren Formen am Weg stehende Bäume in starkem Nebel annehmen.