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nicht zuzusagen schien. Er schüttelte den Kops und wurde seinerseits immer ernster.
Aus den Einzelheiten der Unterhaltung war so viel zu ersehen, daß Berndt, um den Tanz im Kruge nicht zu stören, alles Allarmschlagen verboten, selbst ein Revidiren der Amtsund Gerichtsstube hiuausgeschoben und sich damit begnügt hatte,
Hof und Park durch einen aus Kutscher Krist und Nachtwächter Pachaly gebildeten Wachtposten abpatrouilliren zu lassen. Jeetze, der sich auch dazu gemeldet hatte, war wegen Alter und Hinfälligkeit und unter Anerkennung seines guten Willens zu Bette geschickt worden.
Es schlug neun, als unser Freund Kniehase, der erwartet war, von der Auffahrt her über den Hof kam. Tubal und Lewin, die am Fenster standen, sahen und grüßten ihn. Gleich daraus meldete Jeetze: „Schulze Kuiehase."
„Soll eintreten."
Berndt ging ihm entgegen, gab ihm die Hand und schob einen Stuhl an den Tisch.
„Setzen Sie sich, Kniehase. Was wir zu sprechen haben, ist kurz und kein Geheimniß. Kathinka, bleib! Es kommt alles schneller, als ich erwartete, aber vorbereitet oder nicht, wir dürfen nichts hinausschieben. Es ist keine Stunde zu verlieren, wir müssen wissen, wen wir vor uns haben. Unser eigenes Gesindel hätte sich nicht an Hoppenmarieken gemacht.
Ich bleibe dabei, es ist fremdes Volk; Marodeurs von der Grenze."
Kniehase schüttelte den Kopf.
„Gut, ich weiß, daß Sie anders denken. Es wird sich zeigen, wer Recht hat, Sie oder ich. Auf wie viel Leute können wir rechnen? Haben wir zehn oder zwölf, so rücken wir aus. Heute noch, gleich."
„Bis auf zehn werden wir kommen, wenn der gnädige Herr sich selber mitrechnen und die jungen Herren. Ich habe Nachtwächter Pachaly auf die Loose geschickt, zu Schartz und Metzke und auch zu Püschel, das sind die jüngsten. Aber er kann vor Mittag nicht wieder da sein. Wir müssen also nehmen, was wir hier im Dorfe finden."
„Und das sind?"
„Nicht viele."
„Kümmritz?"
„Kann nicht, hat wieder das Reißen."
„Müller Miekley?"
„Der will nicht. Er hat etwas von Aufstand gehört und von Krieg führen ohne den König, das hat ihn stutzig gemacht: „Wer das Schwert nimmt, der soll durch das Schwert umkommen." Wir müssen uns hinter Uhlenhorst stecken, der hat die Altlutherischen in der Tasche."
„Uud Kallies?"
„Der will, aber ich kenne „Sahuepott", er hat das Zittern und kann kein Blut sehen."
„Nun, denn Krull und Reetzke?"
„Ja, die kommen, und Rietz und Rvloff auch, das sind vier gute. Dann die beiden Scharwenkas, der Alte uud der Jungsche, und auch Hanne Bogun, der Scharwenkasche Hütejunge."
„Der Hütejunge?" fragte Lewin, „er hat ja nur einen Arm."
„Aber vier Augen, junger Herr, den müssen wir haben.
Er sieht wie ein Habicht und klettert."
„Gut, Kniehase, so wären wir unser zehn. Es muß ausreichen für eine erste Suche, und nun wollen wir, ehe die Bauern kommen, die Amtsstube revidiren; vielleicht, daß wir etwas finden, das uns einen Fingerzeig gibt."
Sie stiegen in das erste Stockwerk, auch Kathinka folgte, dem alten Schulzen auf Flur und Treppe vorplaudernd, daß seine Pflegetochter die muthigste von ihnen und zugleich die erste Ursache ihrer Rettung gewesen sei.
So waren sie, der alte Vitzewitz immer nur ein paar Schritte vorauf, bis au die Thüre der Amtsstube gekommen, die sie jetzt nicht ohne ein gewisses, und wie sich im nächsten Augenblicke zeigen sollte, nur allzu gerechtfertigtes Grauen öffneten. Eine grenzenlose Verwüstung starrte ihnen entgegen; Bücher und Scherben, alles durcheinander, über das ganze
Zimmer hin Flecke von abgetropstem Wachs, und auf der Platte des großes Schreibtisches ein Brandfleck von dem Schwamm oder Schwefclfaden herrühreud, den die Strolche hier sorglos aus der Hand geworfen hatten. Neben der Truhe lag noch ein Stemmeisen und auf dem Fensterbrett ein dicker, halb zerrissener Fausthandschuh.
Es waren nicht Gegenstände, die, wie sie auch von Hand zu Hand gingen, auf eine bestimmte Spur hätten hindeuten können, und so in gewissem Sinne enttäuscht, schritten alle wieder in das Erdgeschoß zurück, wo sie die Bauern sammt dem jungen Scharwenka und Hanne Bogun, dem Hütejungen, bereits versammelt fanden. Es wurde beschlossen, zunächst auch noch den Hof abzusuchen, oder wenigstens die Stelle, von wo aus der Einbruch ausgeführt worden war. Hier stand noch die vom Wirthschaftshof herbeigeschleppte Leiter, deren sich die Diebe bedient hatten. Lewin stieg die Sprossen hinauf und revidirte das äußere Fenstersims, während Tubal uud der junge Scharwenka unten im Schnee nachforschten; aber selbst von den zahlreichen Fußstapfen, die, um den Giebel des Hauses herum, nach der Parkallee und dem Parke selber führten, konnte schließlich nicht festgestellt werden, ob sie von den Dieben oder von Krist und Pachaly herrührten.
„So geben wir es auf," sagte Berndt, „und sehen, ob wir auf Gorgast und Manschnow zu etwas finden."
Jeetze brachte die Flinten, und der abmarschirende Männertrupp war eben im Begriff vom Hofe her aus die Dorfgasse zu treten, als sie hinter sich einen Schäferpfiff hörten und sich wendend den Scharwenkaschen Hütejungen sahen, der, vorläufig noch zurückgeblieben, mittlerweile die Leiter von dem Amtsstubenfenster an das Fenster der Nebenstube gestellt uud auf eigene Hand weiter gesucht hatte. Er winkte jetzt lebhaft mit dem losen Aermel seines Stummelarmes, und gab Zeichen, aus denen sich schließen ließ, daß er einen Fund gemacht habe.
Die Männer kehrten um. Als sie dicht heran waren, hielt ihnen Hanne Bogun einen Messingknopf entgegen.
„Wo lag er?" fragte der alte Vitzewitz in lebhafter Erregung.
Der Hütejunge, ohne Antwort zu geben, sprang wieder die Leiter hinaus und legte den Knopf auf dieselbe Stelle, von wo er ihn weggeuommen hatte. Es war das Querholz, das dicht unter dem Feilster hinlies, und so konnte nicht wohl ein Zweifel sein, daß bei dem Zusammenbrechen des unteren Spaliers, die scharfe Kante der oberen Latte den Knopf abgestreift hatte. Er war von einer französischen Uniform. In der Mitte ein während der Rand der Innenseite die Umschrift zeigte:
11° Uo§. clo liA-im.
Berndt triumphirte, seine Vermuthungen schienen sich bestätigen zu sollen, die Bauern stimmten ihm bei. Nur Knie- Hase schüttelte nach wie vor den Kopf. Es kam aber zu weiter keinen Auseinandersetzungen, und nachdem der Knopf reihum gegangen war, brachen alle wieder auf. Der Hütejunge, der zwei Jagdtaschen trug, folgte.
Sie hielten zunächst die große Straße in der Richtung auf Küstrin zu. Als sie bis zu der Stelle gekommen waren, wo vor zwei Tagen Hoppenmarieken angefallen und fast erwürgt worden war, bogen sie rechts ab auf dasselbe Wäldchen zu, von dem aus Tubal und Lewin ihren Wettlauf über den verschneiten Sturzacker hin gemacht hatten. Die Bauern kannten aber ihr Terrain besser und wählten einen festgetreteneu Fußweg, der auf die Mitte des Gehölzes zulief.
Hier angekommeu, wurde berathschlagt,, ob man dasselbe absuchen solle. Der alte Scharwenka, der seit fünfundzwanzig Jahren immer nur in einem hohen Federbett geschlafen hatte, hielt es für unmöglich, daß man bei 12 Grad Kälte unter freiem Himmel nächtigen und sich mit einer Zudecke von Schneeflocken behelfen könne; Kniehase war aber anderer Meinung und setzte, sich auf seine Feldzugserfahrungen berufend, auseinander, daß es nichts Wärmeres gebe, als eine mit Stroh ausgelegte Schneehütte. Darauf hin wurde denn das Absuchen beschlossen; aber sie kamen bis an den jenseitigen Rand, ohne das Geringste gefunden zu haben. Nirgends weggeschaufelter Schnee, kein Reisig, keine Feuerstelle.