Issue 
(1878) 23
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über schimmerte schon der Kirch-Göritzer Thurm, aber doch noch gute fünfhundert Schritt nach rechts hin, woran Lewin deutlich erkannte, daß der ihnen zu Füßen liegende, mit jungen Kiefern abgesteckte Weg, nicht derselbe war, den er vorgestern mit Tubal passirt hatte, sondern ein Parallelweg, der wahr­scheinlich auf die Rathstocker Fähre zuführte.

Der alte Vitzewitz und Tubal waren schon halb hinüber, als Lewin erst in den Kuschelweg einbog. Er sprach nicht, aber desto mehr beschäftigte ihn Hoppenmarieken. Es erschien ihm jetzt hinfällig, was er seinerseits gegen ihre Mitwissensthast ge­sagt hatte; Streitigkeiten zwischen Diebsgenossen waren nichts Ungewöhnliches oder Unwahrscheinliches, und wenn ein Rest von Wahrscheinlichkeit blieb, so schwand er doch vor der Be­stimmtheit, mit der Hanne Bogun seinse weet et" ausgesprochen hatte. War doch der Hütejunge, so sagte sich Lewin, zu dieser Bestimmtheit, muthmaßlich nur allzu berechtigt. Denn wenn es jemanden auf der Hohen-Vietzer Feldmark gab, der Hoppen­marieken in ihren Schlichen und Wegen nachgehen oder doch ihr Treiben auf der Landstraße, ihre Begegnungen und Tusche­leien beobachten konnte, so war es eben Hanne, der sommer­lang das Scharwenkasche Vieh hütete und entweder in einem i ausgetrockneten Graben oder versteckt im hohen Korne lag.

Unter solchen Betrachtungen hatte Lewin die Mitte des Flusses erreicht, der alte Vitzewitz und Tubal waren schon am jenseitigen Ufer und kletterten eben den steilen Rand hinauf. Zur Linken Lewins ging der junge Scharwenka, beide nach wie vor im Schweigen und des Hütejungen nicht achtend, der I wieder ein paar Schritte hinter ihnen zurückgeblieben war.

Aber in diesem Augenblick drängte sich Hanne, rasch über das Eis hinschlitternd, an die Seite seines jungen Herrn, zupfte ihn am Rock und sagte, mit seinem losen Aermel nach links hin zeigend:Jüngststen Scharwenka, kiek eens."

Der Krügers Sohn blieb stehen, Lewin auch, und beide lugten nun scharf nach der Richtung hin, die ihnen Hanne be­zeichnet hatte.

Ich sehe nichts," rief Scharwenka und wollte weiter.

Aber Hanne hielt ihn fest und sagte:töös en beten, grad nt, 'mang de Pappeln; jitzt."

Hanne hatte recht gesehen. Zwischen zwei Pappeln, die mitten auf dem Eis zu stehen schienen, wirbelte ein dünner Rauch auf. Dann und wann schwand er, aber im nächsten Augenblicke war er wieder da.

Jetzt haben wir sie! Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Vorwärts!"

Damit bogen beide junge Männer aus dem quer laufen­den Knschelweg in die große, die Mitte des Stromes haltende und für Schlitten und Wagen bequem fahrbare Längsallee ein, während Hanne, zu Meldung des Thatbestandes und zugleich auch mit der Aufforderung ihnen zu folgen, an den alten Vitzewitz und Tubal abgeschickt wurde.

Lewin und der junge Scharwenka setzten inzwischen ihren Weg fort, machten aber lange Pausen, bis sie wahrnahmen, daß Hanne die beiden bereits am anderen Ufer Befindlichen eingeholt und durch seine Meldung zu rascher Umkehr ver­anlaßt hatte. Nun schritten auch sie wieder schneller vorwärts. Bald sahen sie, daß das, was sie kurz vorher noch für eine mit zwei hohen Pappelweiden besetzte Landzunge gehalten hatten, eine jener kleinen Rohrinseln war, denen man in der Oder so häufig begegnet. Das einfassende Rohr, wenn auch hier und dort durch die Schneemassen niedergelegt, ließ sich deutlich erkennen; alles aber was dahinter lag, war durch eben diesen Einfassungsgürtel verborgen.

Sie gaben nun auch die große Längsallee auf, hielten sich halb links und tappten sich durch den außerhalb der Fahr­straße fußhoch liegenden Schnee auf die Insel zu. Als sie dicht heran waren, verschwanden ihnen zuerst die Rauchwölkchen, bald auch die beiden Pappeln, und im nächsten Augenblicke standen sie vor dem Schilfgürtel selbst. Lewin wollte den Durchgang sorciren, überzeugte sich aber, daß dies unmöglich sei. Auch war es überflüssig. Während seiner Anstrengungen hatte der junge Scharwenka einen mannsbreiten Gang entdeckt, der mit der Sichel durch das Rohr geschnitten war; er winkte

Lewin heran, und beide drangen nun vor, nicht ohne Schwierig­keiten, da der Wind zahllose Halme in den Gang hineingeweht und diesen an manchen Stellen wieder verstopft hatte. Endlich waren sie durch den Rohrgürtel, der eine Tiefe von fünfzehn Schritt haben mochte, hindurch, und das wenige was noch verblieb als eine Art Schirm benutzend, sahen sie jetzt, von gesicherter Stelle ans, auf das Innere der Insel.

Das Bild, das sich ihnen bot, war überraschend genug, und berührte sie, als ob sie auf einen leidlich in Stand ge­haltenen Wirthschastshof blickten. Alles war von einer gewissen Ordnung und Sauberkeit. Der Schnee lag zusammengefegt zu beiden Seiten; eine Kuh, die mit dem linken Vorderfuß an eine der beiden Pappeln gebunden war, nagte von einem durch ein Strohband zusammengehaltenen Heubündel, während in der Nähe der anderen Pappel ein hochbepackter Schlitten stand, der unter seiner mit Stricken umwundenen Segelleinwand den Ertrag des letzten Fanges bergen mochte.

So der Hof, dessen friedliches Bild nur noch von dem Anblick des als Wohnhaus dienenden Holzschuppens übertroffen wurde. Dieser Holzschuppen, von mehreren Seiten her mit Schnee umkleidet, nicht viel anders, als ob er in einen Schnee­berg hineingebaut worden wäre, schien aus drei Räumen von verschiedener Größe zu bestehen. Die beiden kleinen, die als Stall und Küche dienten, waren offen, während der dritte größere Raum mit zwei alten Brettern und einer funkelnagel­neuen Thür zugestellt war, deren Klinke, Haspenbeschlag und rother Oelfarbenanstrich über ihren Gorgaster oder Manschnower Ursprung keinen Zweifel gestattete. Vor dem aufgemauerten Herd, auf dem ein mäßiges Reisigfeuer brannte, stand mit Abschäumen und Töpferücken beschäftigt eine noch junge Frau, dann und wann zu einem Blondkopf sprechend, der auf einem Futtersack dicht an der Schwelle saß. Als Rauchfang, wie Lewin deutlich erkennen konnte, diente ein Ofenrohr, das zwei Handbreit über das Schneedach hinausragte. In dem offenen Stalle stand ein Pferd und klapperte mit der Eisenkette.

Das ist Müller Krieles Brauner," sagte Scharwenka.

Beide junge Männer zogen sich nach dieser ihrer Rekog- noszirung wieder an den äußeren Rand des Schilfgürtels zurück, um hier auf die Ankunft ihres Sukkurses zu passen. Sie hatten nicht lange zu warten. Berndt und Tubal, von dem Hütejungen gefolgt, waren bereits dicht heran, und gleich darauf drängten alle fünf, durch den schmalen Gang hin, wieder auf den Punkt zu, von wo aus Lewin und der junge Scharwenka ihre Beobachtungen angestellt hatten. Im Flüstertöne wurde Kriegsrath gehalten und das Abkommen getroffen, daß Tubal und Hanne Bogun auf die Frau losspringen, die beiden Vitze- witze sammt ihrem Krügerssohn aber in den mit den zwei Brettern und der rothen Thür zugestellten Raum eindringen sollten.

Es war sehr wahrscheinlich, daß sich die Strolche, um den auf ihren nächtigen Streifzügen versäumten Schlaf wieder einzubringen, hier zur Ruhe niedergelegt hatten; erwies sich diese Voraussetzung aber auch als Jrrthum, so hatte man wenigstens die Frau, mit deren Hilfe es nicht schwer halten konnte, die etwa ausgeflogenen Vögel einzufangen.

Eins, zwei, drei!" ein Sprung über den Hof hin, und im nächsten Moment schrie die Frau auf, während Berndt und Scharwenka, gefolgt von Lewin (der Bretter und Thür mit leichter Mühe niedergerissen hatte) in den mit Blak- und Branntweindunst angefüllten Raum hineindrängten. Das hell einfallende Tageslicht ließ alles rasch erkennen. An den Wänden, links und rechts hin, standen zwei kienene Bettstellen, die, wie draußen die rothangestrichene Thür, einst bessere Tage gesehen haben mochten. Jetzt waren sie mit Strohsäcken bepackt, aus und unter denen, in voller Kleidung, zwei Kerle mit übrigens noch mehr gedunsenem als verwildertem Gesicht in festem Schlafe lagen.

Ansgeschlafen!" donnerte Berndt und setzte dem an der rechten Wand Liegenden den Kolben auf die Brust.

Der so Angeschriene fuhr sich schlaftrunken über die Augen, und starrte dann mit einem Ausdruck, in dem sich Schreck und Pfiffigkeit zu einer Grimasse verzogen, auf den alten Vitzewitz,