Issue 
(1878) 23
Page
368
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

- 368

der, als er den guten Effekt sah, den die Ueberraschung aus­geübt hatte, das Gewehr wieder ruhig über die Schulter hing und beiden Strolchen zurief:Macht euch fertig!"

Im Nu waren sie auf den Beinen; beide ^mittelgroß und Männer von vierzig. Der eine war nach Landes­sitte in eine dickwollene Tagelöhnerjacke, der andere in einen französischen Soldatenrock gekleidet, beide mit Holzschuhen an den Füßen, aus denen lange Strohhalme heraussahen. Ihren Anzug aufzubessern, dazu war nicht Zeit noch Gelegenheit. Auf einer als Tisch dienenden Kiste stand ein Blaker mit niedergeschweltem Licht; daneben zwei bauchige Flaschen von grünem Glase, drin ein Korbmuster eingedrückt war, auch ein Czako und eine Filzmütze. Sie bedeckten sich damit, ließen die Flaschen, in denen noch ein Rest sein mochte, in ihre Tasche gleiten und stellten sich dann in eine Art von militärischer Positur, wie um ihre Marschbereitschaft auszudrücken. Berndt machte eine Handbewegung:Vorwärts!"

Draußen drängte sich der im Soldatenrock an die Seite des jungen Scharwenka und fragte mit einer halben Ver­traulichkeit:wohen geiht et denn?"

An den Galgen!"

Der Strolch grinzte:Na, Jnngschen Scharwenka, so dull fall et ja woll nich wihren!"

Ihr kennt mich?"

Wat wehr' ick Se nich kennen? Ick bin ja Muschwitz von Groß-Klessin."

So, so; und der andere?"

,,Rosentreter von Podelzig."

Der junge Scharwenka warf den Kopf in die Höhe, als ob er sagen wollte:So sieht er auch aus." Damit schritten sie über den Hof auf den schmalen Gang zu, der durch das Schilf führte.

Eine halbe Stunde später hatte die kleine Kolonne den voraus bestimmten Rendezvousplatz, das Neu-Manschnower Vor­werk erreicht. Sie fanden den Kniehaseschen Trupp, der keinen Aufenthalt gehabt hatte, schon vor. Krull und Rätzke, nach­dem alles erzählt worden, was zu erzählen war, erboten sich, den Gefangenentransport, der auf Frankfurt ging, zu über­nehmen; eine Verstärkung dieser Eskorte war nicht nöthig, da sowohl Muschwitz wie Rosentreter froh schienen, ihre Winter­hütte mit unfreieren aber bequemeren Verhältnissen vertauschen zu können. Die Frau, in Betreff deren Zweifel herrschten, wem von den beiden sie zugehörte, folgte stumm, einen kleinen Schlittenkastett ziehend, in den sie das Kind hineingesetzt hatte.

Die Hohen-Vietzer traten gleichzeitig mit dem Abmarsch der Gefangenen ihren Rückweg an. Und zwar über das am diesseitigen Ufer liegende Manschnow. An der Mühle vorüber kommend, theilten sie dem alten Kriele mit, in welchem Stalle er seinen Braunen wieder finden würde; auf dem Schulzen­amte aber wurde Befehl zurückgelassen, daß die Manschnower, zu deren Revier die Insel gehörte, den Schuppen durchsuchen, eventuell durchgraben und alles geraubte Gut, das sich etwa finden würde, nach Frankfurt hin abliefern sollten.

(Fortsetzung folgt.)

Km jesuitischer Krjesuit.

Von Leopold Witte.

Nachdruck verboten. Ges. v. II./VI. 7V.

Es war am 15. Oktober 1877, als ein alter Herr im geistlichen Kleide derGesellschaft Jesu" an den Schweizer Wachen vorüber die bequemen Treppen des Vatikans hinauf­schritt. Das gesenkte Greisenhaupt, der in sich gekehrte Blick, der unsichere Tritt des zögernden Fußes, alles zeugte davon, daß es ein schwerer Gang war, zu dem sich der Mann an­geschickt hatte. Nicht als ob ihm die glänzenden Räume un­gewohnt gewesen wären, durch die er sich langsam bewegte. Diese Thür, die zu den Gemächern des katholischenBeherr­schers der Gläubigen" führte, hatte sich ihm einst oft und willig geöffnet. Seit Jahrzehnten gehörte Pater Cur ei zu den ver­trautesten Freunden des Papstes. Als Pius IX am 25. No­vember 1848 vor seinen empörten Römern aus dem Quirinal nach Gatz'ta flüchtete, war er einer der wenigen gewesen, die in der Felsenfestung am Meere die Einsamkeit des enttäuschten Kirchensürsten theilten, und vielleicht der einflußreichste unter allen, welche den Umschwung zur allumfassenden Reaktion in dem gekränkten Geiste vorbereiteten. Und als nach anderthalb Jahren der Papst unter dem Schutze französischer Waffen im Vatikan seine Wohnung aufschlug, gehörte wieder Curci zu den täglichen Gästen, die den weichen Mann fest machten in der Durchführung seiner phantastischen ultramontanen Träume.

Nicht dem kranken Leidensgenossen von Gai-ta galt dies­mal Curcis Besuch. Zwar glaubte er in demGefangenen des Vatikans" noch immer einen huldreichen Freund und Gönner zu besitzen. Denn noch im Februar desselben Jahres hatte Seine Heiligkeit ihm versichern lassen, daß er des Mönches demüthige Entschuldigung für gewisse näher zu besprechende Fehltritte gütig angenommen habe und ihm das alte Wohl­wollen bewahre, znm Zeugnisse dessen er ihm den apostolischen Segen ertheile. Aber dennoch konnte der Greis nicht ohne Herzklopfen an der heiligen Pforte vorüber gehen, welche die Leiden des nicht sterben könnenden Kirchenoberhauptes ver­schloß ; eine Regung seines Herzens sagte ihm, daß der Mann auf dem Schmerzenslager nur mit bitteren Empfindungen seiner gedachte.

Ein Stockwerk höher führte heute den Jesuiten sein Gang, in die Gemächer des Kardiualstaatssekretärs, welche noch bis vor kurzem einer seiner heimlichen Widersacher, der Jesuiten­feind Antonelli bewohnt hatte. Nicht das stechend lauernde Auge des vor Gottes Stuhl gerufenen Sprößlings ans der

Ränberfamilie Sonninos traf sein Blick, als der Diener ihn in die einfacher eingerichteten Räume geführt hatte, sondern den gntmüthig einfachen Gesichtsansdrnck eines Prälaten, der ohne politische Leidenschaften im Dienste der Kirche grau ge­worden war:

Sie haben," so hob Kardinal Simeoni an,in Ihrem letzten Buche über Tobias eineNachschrift" veröffentlicht, in welcher Sie Ihre bedauernswürdigen Jrrthümer in Betreff der Möglichkeit, daß das Papstthum auf die weltliche Herrschaft verzichten könne, reumüthig zurücknehmen. Die Kirche kann nicht anders, als diese Gesinnung an einem ihrer irrenden Kinder loben. Ich hoffe, Sie werden nun auch in Zukunft sich so ver­halten, daß der gegebene Anstoß vergessen und durch Ihren demüthigen Gehorsam wieder gut gemacht werde."

Eminenz," erwiderte Curci,die zweiundfünfzig Jahre, während welcher ich meinem Orden und meiner Kirche treu gedient und mir wiederholt das gnädige Lob des heiligen Vaters erworben habe, sollten wohl eine Gewähr dafür bieten, daß mir nichts ferner liegt, als den Gläubigen unserer Kirche ein Aergerniß zu geben. Habe ich gefehlt, so ist mir von dem infalliblen Haupte der Kirche Verzeihung gewährt worden."

Lieber Bruder, es handelt sich gegenwärtig nicht mehr um die Vergangenheit, sondern um die Zukunft. Versprechen Sie auch in der Folgezeit, sich in Ihren Aenßernngen aller Ausdrücke enthalten zu wollen, welche auch nur entfernt an die von Ihnen widerrufene skandalöse Irrlehre erinnern könnte?"

Meine öffentliche Erklärung," entgegnete Pater Curci, welche Ew. Eminenz die Gnade hatten so eben zu erwähnen, spricht es ans, daß ich weder in meinen Schriften, noch in meinen öffentlichen Reden den fraglichen Punkt berühren will."

Sie werden selbst einsehen," lautete die schnelle Antwort, daß die Kirche sich damit nicht begnügen kann. Nicht nur Ihr öffentliches Wort hat das verderbliche Unkraut ansgesäet. Wie Sie sich erinnern werden, haben Sie gerade in Ihren Privatgesprächen, als Sie während der letzten Fastenzeit in Mailand predigten, viele katholische Jünglinge durch Ihre gelegentlich hingeworfenen ketzerischen Bemerkungen der geseg­netenGesellschaft der katholischen Jugend" abtrünnig gemacht. Die Kirche kann daher nicht umhin zu fordern, daß Sie ge­loben, auch in Ihren Privatgesprächen alle Wendungen zu ver­meiden, welche den Schein erwecken, als könne man noch ein