Issue 
(1878) 23
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guter Katholik sein und dennoch an der Möglichkeit der Ver­zichtleistung auf die weltliche Herrschaft für den Nachfolger Petri festhalten."

Eminenz, das ist eine Forderung, die weit über das Maß der Billigkeit hinausgeht. Ist es doch erlaubt, im Gespräche selbst von den Schwierigkeiten zu reden, die sich irgend einer Glaubenslehre entgegen stellen, und hier handelt es sich um eine Schulmeinung, aber keineswegs um ein Dogma!"

Wie Sie wollen, Pater Curci," entgegnete kühl der Kar­dinal;doch haben Sie die Folgen zu tragen. An eine Bei­legung Ihrer Angelegenheit ist dann nicht mehr zu denken."

Was wollte der arme Jesuit machen? Ein halbes Jahr­hundert lang an blinden Gehorsam gewohnt, von dem Winke seiner Oberen abhängig, der die eigenen Gedanken unterdrücken hieß, sobald die Autorität der Kirche sich geltend machte, sträubte sich die Mönchstradition seines ganzen Lebens gegen den Akt der Auflehnung und des Widerspruchs, den er im Begriff war, sich zu Schulden kommen zu lassen. Er nahm die Feder vom Tisch und schrieb mit eilfertiger Hand der gedruckten Erklärung am Ende seinesTobias" die schwerwiegenden Worte bei: gmells in i^üvnko"auch im Privatgespräch gelobe ich die verhängnißvolle Meinung nie zu erwähnen". Dann machte er eine stumme Verbeugung und verließ mit verwundetem Gewissen das Zimmer.

Was war mit dieser Verleugnung seiner Ueberzeugung für Pater Curei gewonnen? Ein nochmaliger Besuch bei dem Kardinalstaatssekretär am darauffolgenden Tage belehrte ihn, daß sein Opfer umsonst gewesen war; Timeout erklärte ihm, daß der Papst mit der ganzen Sache nichts zu thun haben wollte, sondern die Entscheidung ausschließlich in die Hände des Ordensgenerals der Jesuiten legte. Nach Florenz, seinem Aufenthaltsorte zurückgekehrt, erhielt Curci am 23. Oktober ein vom 21. datirtes Schreiben desschwarzen Papstes", des Jefuitengenerals Pater Becks, der sich feit der Okkupation Roms in Fiesole bei Florenz niedergelassen hatte, durch welches Curci der Angehörigkeit zum Orden für verlustig erklärt wurde! Das Aergerniß, das er gegeben, sei zu groß, als daß er es sühnen könne. Das Tischtuch war zerschnitten, der Greis aus dem Kloster in die Welt zurückgestoßen und als ein Abtrünniger der Verachtung, vielleicht auch der Fürbitte der treuen Katholiken überwiesen.

Welches Verbrechen hatte der Mann begangen, daß, aller seiner zahllosen Verdienste als Gelehrter und Kanzelredner un­geachtet, eine solche Behandlung am Abend seines Lebens ihm zu Theil wurde?

Curci selbst hat uns die Antwort darauf gegeben. Nach einem nochmaligen vergeblichen Versuche, das harte Urtheil des Ordensgenerals umzustoßen, setzte er sich am 27. Oktober hin und schrieb eine umfangreiche Vertheidigungsschrift, die in den: kurzen Zeitraum von nur fünfzig Tagen verfaßt, gedruckt und ansgegeben wurde:Der Zwiespalt zwischen der Kirche und Italien, auf Grund eines besonderen Falles betrachtet." Nicht ohne tiefe Wehmuth kann man das Buch lesen. Jede Seite bekundet den frommen Katholiken, den treu ergebenen Sohn seiner Kirche, den begeisterten Verehrer Pio nonos, ja den in der Schule feines Ordens altgewordenen Jesuiten, der mit keiner Wendung es verleugnet, wo er denken und nrtheilen und die ganze Welt anzusehen gelernt hat und doch ein Ex- jefnit, ein Verstoßener, von den entscheidenden Autoritäten seiner Kirche für vogelfrei Erklärter! Warum? Weil er in Einem Stücke sich von der herrschenden Meinung zu entfernen wagte, weil er sein Volk und Vaterland warm genug liebte, uni dem klaffenden Zwiespalt zwischen Staat und Kirche ein Ende herbeiznwünschen und mit bestimmten Vorschlägen zur Beilegung des Streites an die Oeffentlichkeit zu treten.

Ein frommer Drang trieb schon den Jüngling Carlo Maria Curci, im Jahre 1825 als Novize in den Jesuiten­orden zu treten. Mit eisernem Fleiß eignete er sich nach und nach einen stannenswerthen Vorrath scholastisch-jesuitischer Ge­lehrsamkeit an. Ein gewisser Mutterwitz und die Zucht seines vielgelenkigen Ordens bewahrte ihm Frische und Lebendigkeit genug, um ihn zu einem gern gehörten Prediger und Lehrer

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zu machen. Als gewandten Bestreiter aller politisch und kirch­lich liberalen Meinungen wußten ihn seine Oberen wiederholt geschickt zu benutzen. Die Unglückstagc von Gcwta gaben dem weltbekannten jesuitischen StreitblatteIm Oiviltä. oattolioa," feinen Ursprung. Curci war der Hauptbegründer und zwei Jahrzehnte lang der fleißigste Mitarbeiter des bis an die Zähne gerüsteten Journals.

Als es galt, das Papstthnm für die verlorene politische Glorie mit neuen kirchlichen Machtvollkommenheiten auszurüsten und die kirchlich mattgewordene Zeit durch außerordentliche Thaten wieder zu beleben, stand Pater Curci in der vordersten Reihe der heiligen Eiferer. Er begrüßte cs mit warmer Freude, als die alte Lehre seines Ordens, daß^die Jungfrau Maria von aller Erbsünde frei in die Welt gekommen fei, 1854 durch einen päpstlichen Machtspruch zur katholischen Kirchen­lehre erhoben wurde. Syllabns und Encyklika waren zehn Jahre später aus seinem Herzen geschrieben. Als zur Heilig­sprechung etlicher japanischer Märtyrer im Jahre 1862 Bischöfe ans allen Theilen der Welt nach Rom gekommen waren, und der Papst vor ihnen in feierlicher Allokution die Nothwendig- keit des weltlichen Besitzes für den Stuhl Petri ausfprach, übernahm Curci den von Pins ihm gegebenen Auftrag, der ihn drei Jahre lang unausgesetzt beschäftigte, die vorher über diesen Gegenstand eingeholten Gutachten aller katholischen Bischöfe zu sammeln, ins Italienische zu übersetzen und in sechs­zehn gewaltigen Quartbänden dem geheimen Archiv des päpst­lichen Stuhls einzuverleiben. Die Vorbereitungen zur Proklami- rung der päpstlichen Unfehlbarkeit fanden in ihm einen so thätigen Beförderer, daß man schon von dem Kardinalspurpur sprach, der den eifrigen Jesuiten belohnen würde. Und als endlich am 20. September 1870 die italienischen Truppen durch die Bresche der Porta Pia in die Papststadt einrücktcn, und das weltliche Dominium des Stuhles Petri verloren ging, gründete der über diesen Raub entrüstete Jesuitenpater unter den Angen der neuen Gewalthaberdie römische Gesellschaft für katho­lische Interessen", und wußte durch die Agenten derselben inner­halb dreier Monate für eine an den Papst zu richtende Bei­leids- und Schmerzensadresse nicht weniger als 27,161 Unter­schriften selbständiger majorenner Römer zu beschaffen, welche sich mit dem neuen Stande der Dinge unzufrieden erklärten.

Ein so gut katholischer und jesuitischer Mann war Pater Curci bis ins Jahr 1871. Und er ist es, wie das oben genannte Buch beweist, geblieben, bis auf die eine Ketzerei, welche ihm die am Ruder befindliche vatikanische Partei nun einmal nicht vergeben kann.

Mit dieser Ketzerei aber hat es folgende Bewandniß.

Als die Dinge in Rom sich konsolidirten, und ein erfolg­reicher Widerstand gegen die neue Ordnung sich einstweilen von selbst verbot, folgte Pater Curci seinem Orden nach Florenz nach. Die neuen Umgebungen, der Verkehr mit den wissen­schaftlich angeregten literarischen Kreisen der ehemaligen toska­nischen Hauptstadt, der Einblick in die Stimmung der großen Masse der Gebildeten, die in unverhohlener Feindseligkeit sich gegen das ultramontane Treiben desVatikanismus" richtete, dies alles machte den in den engen Schranken der Schule ergrauten Jesuiten nachdenklich. Die allgemeine Weltlage, die Gebundenheit des innerlich tief zerrütteten Frankreichs, dieser devotesten undallerchristlichsten" Tochter des heiligen Stuhles, Oesterreichs immer aufrichtiger sich gestaltende Aussöhnung mit dem protestantischen deutschen Kaiserthum und demusurpato- rischen subalpinischen Königthnm", die unverkennbare Abneigung beider katholischen Großmächte, für die Wiederherstellung des Patrimoniums Petri sich politisch zu kompromittiren, alle diese Umstände verwiesen für die Auffassung Curcis das Ziel seiner eigenen bisherigen Bestrebungen und Wünsche in das Gebiet der Unmöglichkeit. Der Widerstand der Kurie aber gegen die neue politische Einheit des Landes entfremdete das italienische Volk immer rückhaltloser und entschiedener der Kirche und ihren mit den feinigen streitenden Interessen. Sollte da keine Hilfe geschafft werden können?

Mit kühner Hand griff Pater Curci, soweit der Jesuit es vermochte, den Schaden bei der Wurzel an. Er übersetzte